berliner szenen Wahlkampffolgen

Sexy Politik

Meist denkt man ja: Politik? Nicht mit mir! Sollen die Deppen doch ihren Scheiß alleine machen und einen nicht ständig mit ihren normalitätsterroristischen Visagen belästigen. Irgendwann hatte einen dann doch das passive Wahlinteresse gepackt und man begann das alles wieder sehr interessant zu finden. Dass der CDU-Kandidat Wasner zum Beispiel aussieht wie Uwe Seeler, dass Ströbele mit Vornamen Erststimme heißt oder auch die Sachen, die die Leute auf die Plakate kleben oder malen.

Wegen der bevorstehenden Räumung der Rigaer Straße klebten in meinem „Kiez“ an allen Wahlplakaten kleine Zettel, auf denen „Randale“ stand. Die Doppelporträts von Edmund Stoiber und Angela Merkel wiederum wurden mit juvenilen Anzüglichkeiten in der Art von „Willste ficken“ – „Nö, du geiler Bock“ oder „Du bist doch schwul“ konkretisiert. Das ist verständlich und lockert das Stadtbild auf in Wahlkampfzeiten. Man ahnt, dass die jugendlichen Schmieranten, die den zwei freundlich blickenden CDU-Bonzen schlimme Worte unterjubelten, so ähnlich sind wie notorische Pornogucker, die es nicht verstehen, wieso die zwei da in dem TV-Film quatschen, obgleich sie allein sind und sich normalerweise sofort an die Wäsche gehen müssten. Das ist normal, Jungspubertät halt. Komisch dagegen, wenn man feststellt, dass man gar nicht mehr so mit der Partei übereinstimmt, die man hatte wählen wollen. Nachdem ich mich auf der Internetseite „Wahlomat“ durch 27 Fragen geklickt hatte, kam heraus, dass ich gar nicht für die Grünen bin, wie ich immer gedacht hatte, sondern für die PDS. Das gibt zu denken. Wenn du aber jetzt nicht sofort deine Scheiß-Musik ausmachst, hol ich den Möllemann!

DETLEF KUHLBRODT