Jassir Arafat lässt sich bitten

Der Palästinenserpräsident bietet vor dem Parlament seinen Rücktritt an und verurteilt Terror gegen israelische Zivilisten. Israel verwehrt Abgeordneten aus dem Gaza-Streifen die Reise nach Ramallah. Scharon ist angeblich zu neuen Gesprächen bereit

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Um Vertrauen der Abgeordneten ringend, bot Palästinenserchef Jassir Arafat seinen Posten an. „Wenn ihr mich ersetzen wollt, bin ich bereit dazu. Ihr würdet mir einen Gefallen tun, und ich würde eine Pause machen“, sagte er in einem kaum ernst zu nehmenden Appell. Arafat trat gestern in Ramallah zum ersten Mal nach 18-monatiger Pause vor das Parlament.

Arafat verurteilte den Terror, „ob von Einzelpersonen oder von Staatsseite“ ausgeübt, und rief zur Anerkennung Israels auf, die „im nationalen Interesse der Palästinenser“ sei. Ebenso gelte es, „internationale Unterstützung für den Widerstand gegen die Besatzung zu wahren“. Deshalb müssten „Angriffe gegen israelische Zivilisten verurteilt werden“. Die Palästinenser seien bereit, sich dem „Kampf gegen den Terrorismus“ anzuschließen, vorausgesetzt, dass er von der UNO geleitet wird.

Auf der Agenda der Parlamentssitzung stand neben der Vertrauensabstimmung über die im vergangenen Juni neu zusammengestellte Regierung eine Debatte über die Reformprogramme sowie ein verändertes Wahlgesetz. Unter anderem soll das bei den Wahlen Anfang 1996 angewandte Verfahren der regionalen Kandidatenwahl künftig durch die Listenwahl ersetzt werden. Neuwahlen für den Präsidenten und das Parlament sind für kommenden Januar geplant.

Arafats Popularität ist in den vergangenen Monaten stark zurückgegangen. Jüngsten Umfragen zufolge könnte er heute nur noch knapp 30 Prozent der Stimmen für sich verbuchen. An zweiter Stelle steht Scheich Ahmed Jassin, Gründer und spiritueller Führer der Hamas.

Israels Premierminister Ariel Scharon, der bereits vor der Rede Arafats Bereitschaft zu direkten Gesprächen mit palästinensischen Führungsvertretern signalisiert hatte, wird sich laut palästinensischen Informationen in Kürze mit dem Stellvertreter Arafats treffen, Mahmud Abbas alias Abu Masen. Der Kontakt wurde offenbar über den Sohn Scharons, Omri, und Mohammed Raschid, einen engen Vertrauten Arafats, hergestellt. Noch in dieser Woche will zudem Außenminister Schimon Peres mit fünf palästinensischen Ministern zusammentreffen, darunter der neue Innenminister Abdel-Rasak Jehije. Thema wird vor allem die Fortsetzung des „Gaza-Bethlehem-Plans“ sein, der den schrittweisen Truppenrückzug aus den neu besetzten Palästinensergebieten vorsieht.

Peres und Scharon gerieten am Wochenende erneut über die Frage in Konflikt, ob der in Oslo begonnene Friedensprozess noch gilt. „Einige von uns waren naiv“, meinte Scharon. „Oslo existiert nicht mehr, Camp David existiert nicht mehr und genauso wenig Taba.“ In dem ägyptischen Badeort waren die Verhandlungsdelegationen kurz vor den israelischen Premierswahlen im Frühjahr 2001 fast zu einer Einigung geraten. Peres hielt Scharon entgegen, dass „in Oslo die Palästinenser erstmals Israels Existenz innerhalb der Grenzen von 1967 anerkannten“. Wenn Israel „den Weg von Oslo“ fortgesetzt hätte, gäbe es schon eine Einigung, meinte er.

Ungeachtet der jüngsten Annäherung zwischen Israel und den Palästinensern untersagte Israel zwölf der insgesamt 88 Abgeordneten aus dem Gaza-Streifen die Teilnahme an der Parlamentssitzung. Die Politiker sind in der Mehrzahl Mitglieder der Fatah, zwei gehören den islamischen Bewegungen an und zwei sind parteiunabhängig. 20 weitere Abgeordnete aus dem Gaza-Streifen hätten nach Ramallah reisen dürfen, lehnten das jedoch aus Solidarität mit ihren Kollegen ab und verfolgten die Parlamentssitzung per Videoschaltung.

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