„Haider hat sein Blatt überreizt“

Alexander Van der Bellen, Chef der österreichischen Grünen, über einen möglichen rot-grünen Regierungskurs

taz: Wie erklären Sie sich das Treiben in der FPÖ?

Alexander Van der Bellen: Bei der FPÖ läuft man schnell auf Grund, wenn man versucht, alles rational zu erklären. Ich denke, Haider hat sein Blatt überreizt. Er wollte nicht, dass die Regierung platzt, nicht einmal, dass die Riess-Passer ausscheidet. Er wollte sie gedemütigt und brav in der Regierung halten. Jetzt haben die Rechtsradikalen, die Ewiggestrigen, die Provinzialisten in der FPÖ die Macht übernommen.

Es wird Neuwahlen geben. Wenn die Grünen danach mitregieren sollten: Welche außenpolitischen Signale würden Sie neben dem Bekenntnis zur EU-Erweiterung geben?

Ich mache mir keine Illusionen über die Bedeutung der österreichischen Außenpolitik etwa im Vergleich zu Deutschland. Aber im Rahmen eines neutralen Kleinstaates müssten mehr Dinge möglich sein als in den vergangen Jahren, sei es, weil die konservative Außenpolitik Möglichkeiten nicht wahrgenommen hat, sei es, weil die FPÖ auch die Außenpolitik behindert hat.

Die Grünen werden von einem Wirtschaftsprofessor geführt. Warum legen Sie keine Alternative zum sozial verbrämten Neoliberalismus vor?

In Österreich sind wir von einem echten Neoliberalismus ein ganzes Stück entfernt. Dazu passt einfach nicht, dass Österreich die höchste Abgabenquote seiner Geschichte hat. Im Übrigen war ich auch auf der Universität nicht der Vertreter irgendwelcher revolutionärer Ideologien. Ich war hoffentlich halbwegs originell in meinem Zugang.

Oskar Lafontaine unterstützt Attac.

Wenn ich nicht irre, hab’ ich auch einmal eine Beitrittserklärung unterschrieben. Ich finde die Idee der Tobin-Steuer gut, mache mir aber über die Durchführbarkeit keine Illusionen. Ich kann auch viele Bedenken der Globalisierungskritiker nachvollziehen. Das kann aber nicht heißen, dass man einem neuen Provinzialismus das Wort redet. Die EU selbst ist eine Art europäischer Globalisierung mit freiem Kapital- und Personenverkehr – ein wichtiges und richtiges Projekt.

In den letzten Jahren hat man den Eindruck, die Grünen sind sehr bieder geworden.

Zur Unterhaltung von Journalisten sind wir nicht da. Der Unterhaltungswert der Grünen war vielleicht früher größer. Durch eine Art von Buntheit, die von außen als grünes Chaos interpretiert wurde. Ich hoffe nicht, dass wir bieder geworden sind im Auge des Wählers.

INTERVIEW: RALF LEONHARD