Der Wiedergänger

Der Image prägende Schnauzbart ist ab: Lee Hazlewood, inzwischen zigmal gecoverter Epigone des so genannten alternativen Country und Folk, in der Fabrik

Vor zehn Jahren sollte ein Tribute-Album für einen einflussreichen Schnauzbartträger des Pop erscheinen. Doch der zu Würdigende leitete juristische Schritte gegen das Vorhaben von Grunge-Vätern wie Nirvana und Mudhoney ein. „Ich wusste gar nicht, wer Nirvana waren“, erklärte der 73-jährige Lee Hazlewood jüngst in einem Interview. Doch am Ende hat er sich ergeben: Für die kürzlich erschienene Zusammenstellung Total Lee erlaubte Hazlewood Epigonen wie Calexico, Lambchop oder Jarvis Cocker und Richard Hawley von Pulp, seine Lieder zu covern, was zu einigen erhellenden Neuinterpretationen führte.

Zur gleichen Zeit erschien ein Album, das zu großen Teilen aus verschollen geglaubten Aufnahmen des alten Meisters besteht. Auf seinem sicheren Terrain von Drama und Ironie, Kitsch und Kunst bewegt sich Hazlewood auf For Every Solution There‘s A Problem mit weichem Bariton nahe bei Johnny Cash und Leonard Cohen und verfestigt seinen Ruf als Mitbegründer des „alternativen“ Country und Folk.

Popexperten zählen es zum Basiswissen, dass der Misanthrop aus Oklahoma in den 50ern als Radio-DJ Elvis Presley populär machte, den mit Hall und Bass verstärkten Gitarrensound namens „Twang“ erfand, für Dean Martin (“Houston“) und Frank Sinatra („Somethin‘ Stupid“) Hits schrieb und aus der allenthalben für untalentiert gehaltenen Tochter Sinatras eine goldene Gans machte: Mit dem Bestseller „These Boots Are Made For Walking“, auf Sexualität und Drogen anspielende Duette wie „Some Velvet Morning“ oder „Jackson“ kam er zusammen mit Nancy in den 60ern in die Charts des nach Freizügigkeit hungernden Amerikas.

Anfang der 70er verschlug es den Einzelgänger Hazlewood nach Schweden, wo er sich ohne nennenswerten Erfolg als Schauspieler versuchte und Platten wie Cowboy In Sweden, Requiem For A Lady oder 13 aufnahm, deren Originale heute, den mediokren Aufnahmen zum Trotz, zu Höchstpreisen gehandelt werden. Danach zog sich Hazlewood peu á peu aus dem Musikgeschäft zurück. Unzählige Coverversionen, Bootlegs, Reissues und Lounges applaudierten über die Jahrzehnte seinem beeindruckenden Oeuvre. Kürzlich erst erhielt „Some Velvet Morning“ auf dem neuen Album von Primal Scream mit Supermodel Kate Moss ein Facelift.

Heute singt Hazlewood wieder selbst, und auch der Image prägende Schnauzbart ist ab. Schon vor drei Jahren holte ihn Nick Cave als Headliner für sein Meltdown Festival in Londons Royal Albert Hall auf die Bühne. Morgen unterstützen ihn in der Fabrik neben anderen sein alter Weggefährte, der Gitarrist Al Casey, und Mitglieder der High Llamas – eine Konstellation, die magische Überraschungen bergen könnte. Ulrich Seiter

Freitag, 21 Uhr, Fabrik