Vollbeschäftigte Verwaltungsrichter

Airbus-Erweiterung: Kläger beantragen Stopp aller Bauarbeiten im Mühlenberger Loch. Zusätzliche Klage gegen Verlängerung der Start- und Landebahn in Finkenwerder wird eingereicht. Hamburg geht vor dem Oberverwaltungsgericht in Berufung

von SVEN-MICHAEL VEIT

Die Kläger gegen die Erweiterung des Airbus-Werkes Finkenwerder gehen jetzt juristisch in die Offensive. Einen Eilantrag auf Baustopp im Mühlenberger Loch sowie zusätzlich eine Klage gegen die Verlängerung der Start- und Landebahn kündigte gestern ihr Anwalt Rüdiger Nebelsieck gegenüber der taz an. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts von Dienstag, das den Planfeststellungsbeschluss der Stadt Hamburg vom 8. Mai 2000 für die Werkserweiterung für unwirksam erklärte (taz berichtete), werden somit neue juristische Wege beschritten.

Das VG begründete sein Urteil damit, dass die Kläger in „rechtlich erheblicher Weise“ durch den Ausbau des Werkes beeinträchtigt würden. Es handele sich bei dem Projekt um den „Werkslandeplatz eines Unternehmens“. Deshalb seien hier private Rechte von Anwohnern abzuwägen gewesen gegen Interessen eines Privatunternehmens. Da es nicht um den Ausbau eines öffentlichen Verkehrsflughafens gehe, seien keine juristisch höherrangigen öffentlichen Interessen zu berücksichtigen.

Damit hat das VG zugleich die Argumentation der Stadt verneint, das Projekt diene dem „Gemeinwohl“. Mit der „Lex Airbus“, in der die Bürgerschaftsmehrheit die Gemeinnützigkeit der Werkserweiterung für die Teilfertigung des Riesenairbus A380 festschrieb, habe der Landesgesetzgeber seine Kompetenzen überschritten, so das VG.

Die federführende Hamburger Wirtschaftsbehörde kündigte bereits an, bei der nächsthöheren Instanz Berufung einzulegen. Somit wird dieses Verfahren frühestens im nächsten Jahr auch das Oberverwaltungsgericht beschäftigen und vermutlich anschließend auch noch in letzter Instanz das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Einen vorläufigen Stopp der Bauarbeiten verhängte das Verwaltungsgericht am Dienstag jedoch nicht, was Nebelsieck „nicht überzeugend“ findet. Deshalb wird er diesen umgehend beantragen. Parallel soll auch der zweite Teil des Planfeststellungsbeschlusses der gerichtlichen Prüfung unterzogen werden: Die Verlängerung der Landebahn.

Formalrechtlich hatte die Wirtschaftsbehörde lediglich den „Sofortvollzug“ für die Ausdehnung des Werkes in die benachbarte Elbebucht Mühlenberger Loch angeordnet. Dort sind seit Juni vorigen Jahres 140 Hektar des größten europäischen Süsswasserwatts eingedeicht und aufgespült worden, um Flächen für Werkshallen zu schaffen. Diese Erstellung neuen Baulandes für Airbus auf Kosten der Stadt ist weitestgehend abgeschlossen. Nur dieser Teil der Gesamtplanung ist bislang Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Im Mai dieses Jahres wurde zudem der Sofortvollzug für den „luftverkehrsrechtlichen Teil“ des Planbeschlusses angeordnet. Dieser umfasst die Verlängerung der Airbus-Landebahn auf 2684 Meter in zwei Schritten: Nach Nordosten in die Elbe hinein sowie innerhalb des Werksgeländes nach Südwesten. Gegen diese Baumaßnahme werden nunmehr getrennte Klagen eingereicht werden. Anwalt Nebelsieck begründet das damit, dass er und seine Mandanten zunächst das Urteil im ersten Hauptsacheverfahren abwarten wollten, bevor sie das zweite eröffnen. Dieses Urteil hat das VG nunmehr gefällt.

Unabhängig davon wird es noch eine weitere gerichtliche Auseinandersetzung geben. Vorige Woche beschloss der Hamburger Senat die Eröffnung eines neuen Planfeststellungsverfahrens. Airbus hatte kürzlich eine nochmalige Verlängerung der Landebahn auf insgesamt mindestens 3273 Meter beantragt. Dieses Planverfahren dürfte im Laufe des nächsten Jahres abgeschlossen werden – und erneut zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen.

Ob die Vollbeschäftigung der Verwaltungsgerichte abgeflaut sein wird, bevor der erste A380 im Jahr 2006 in Finkenwerder landen soll, ist zweifelhaft.