Vive le Chef!

Der „Neue“ Johan Micoud führt Werder Bremen zum Sieg gegen Nürnberg. Torflut: Bei Ailton brechen alle Dämme

„Vielleicht haben meine Spieler gedacht, dass es auch an der Weser eine Flutkatastrophe gab und wollten helfen.“ Nürnbergs Trainer Augenthaler war stocksauer.

Schuld war ein Siegertyp: Kaum eine Woche da, schon belegt Johan Micoud Rang fünf auf der Liste der „erotischsten Werder-Spieler“ (www.werder-online.de). Auch auf dem Platz zeigt der Franzose, wofür er geholt wurde: Er rackert, treibt an, verteilt Bälle, spielt Traumpässe und schießt selbst. Gleich im ersten Spiel hat er der bis dahin kopflos dahin dümpelnden Werder-Mannschaft klar gemacht: Hier steuert der Chef! Wer war noch mal Torsten Frings?

„Young Spirit“ ist nicht nur der neue Werbe-Schriftzug auf der Werder-Brust, sondern auch eine adäquate Beschreibung der Spielweise: Inspiriert, unbekümmert spielten sie nach vorn, aber im jüngsten Kader der Liga mangelt es an Abgeklärtheit. Nur deshalb ging Nürnberg im Weserstadion nicht völlig baden – vor allem weil der 22-jährige Markus Daun aus besten Chancen nichts als einen Pfostenschuss machte. Immerhin ließ er sich nach einer halben Stunde nach Micouds Zuckerpass knapp im Strafraum von den Beinen holen. Den Elfmeter verwandelte einer, der auf der Ersatzbank offenbar eine Frischzellenkur gemacht hat: A-il-ton! Vorbei das Gerede von überflüssigen Kilos. Zweimal ging der Brasilianer ab wie ein Speedboat, rannte seinem Bewacher mit Ball einfach davon und schoss kühl und trocken ein.

Davor allerdings hatte Werder eine Krise zu überstehen: Ausgerechnet Micoud verschoss einen Elfmeter, Nürnberg zeigte mit dem Ausgleich aus dem Nichts defensive Defizite bei Werder auf. Das Elend schien wieder einmal seinen Lauf zu nehmen.

Der Himmel öffenete seine Pforten. Auf den neu gebauten Sitzplätzen wurden 300 Uniformen klatschnass. Der SV Werder hatte Fluthelfer vom Panzergrenadierbataillon 323 aus Schwanewede eingeladen. Die Soldaten ließen sich’s nicht verdrießen, zeigten den Werder-Fans klatschend und trampelnd, was ein präziser Rhythmus ist – auch beim Abendvergnügen noch preußische Disziplin.

Ebenso Johan Micoud, offensichtlich kein Schönwetterfußballer: „Le Chef“ persönlich kurbelte das Werder-Spiel neu an, stellte selbst die Führung wieder her. Bei seinem Abgang nach 73 Minuten stand selbst den notorischen Nörglern auf der Haupttribüne das Wasser in den Augen– stehender Applaus für den Debütanten und danach gleich noch mal für den dreifachen Torschützen. Gegenüber schwappte längst die Welle durchs Stadion: Die Jungs in oliv machten nochmal vor, was sie beim Einsatz im Osten erlebt hatten. jank