Grüne Wende für die Bildung
: Abschied von der Gleichheitsillusion

Ganztags-Schule für alle

Bremen hat „schlechter als Mexico“ abgeschnitten, sagt die grüne Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert, niemand dürfe deswegen vor radikalen Konsequenzen für das Schulsystem zurückschrecken. Aber das, was die große Koalition jetzt beschlossen hätte, seien keine Konsequenzen aus dem Pisa-Befund.

Der Internationale Leistungsvergleich habe doch gezeigt, dass ein Drittel der SchülerInnen nach der 9. Klasse „nicht richtig schreiben, lesen und rechnen kann“, sagt Linnert. Die meisten Betroffenen kommen aus „sozial benachteiligten Familien“, 44 Prozent aus Zuwanderer-Familien. Pisa dokumentiere, dass das Ziel sozialdemokratischer Schulpolitik gescheitert ist – nämlich den Ausgleich der Chancen für Kinder aus bildungsschwachen Familien zu schaffen. Linnert: „Wir brauchen nicht nur mehr Abiturienten, sondern auch mehr Jugendliche mit guten Haupt- und Realschulabschlüssen.“

Die Konsequenz der Grünen: Die Schule soll die Einzelnen individuell fördern. Schluss mit einem System, das für alle dasselbe Tempo und dieselben Entwicklungs-Schübe unterstellt und das nur die Alternative „Versetzung oder Sitzenbleiben“ kennt. Sitzenbleiben sei nicht nur teuer, sondern auch pädagogisch unsinnig.

Organisatorisch wollen die Grünen eine sechsjährige Grundschule: In den ersten beiden Jahren werden die Kinder auf die Schule vorbereitet, in dieser Phase können einzelne drei Jahre gefördert werden, andere nach einem Jahr in die zweite Phase übergehen, die in der Regel vier Jahre dauert. Die Aufteilung in Jahrgangsklassen beruht auf der „Gleichheitsillusion“, sagt der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Dieter Mützelburg. Auch diese Grundschule soll als „Ganztagsschule“ für alle organisiert sein, Förder- und Unterrichtsphasen würden auf die Zeit bis 16 Uhr verteilt.

Nach der Grundschule gehen die einen auf ein Gymnasien, die anderen auf eine „Sekundarschule“. Die derzeitigen „Schulzentren“, die die Schüler dreigliedrig aufteilen, werden umgewandelt in „integrierte“ Schulen. Auch die Sekundarschulen sollen Ganztagsschulen sein und sowohl die „guten“ als auch weniger begabte SchülerInnen individuell fördern und fordern. Es gibt Sekundarschulen, die mit der 10. Klasse enden, an anderen gibt es eine Oberstufe, die bis zum Abitur führt.

Mützelburg findet es konsequent, die Orientierungsstufe abzuschaffen. Das sei vielfach nur eine „Warteschleife“ für die besseren Schüler gewesen. Die Alternative sei aber nicht das klassische Gymnasium, denn das ist bei Pisa genauso durchgefallen. Wenn die Ganztagsschule verbindlich für alle eingeführt werden soll, müssten die Lehrer in ihrer Arbeitszeit in der Schule präsent sein. Da sieht Mützelburg Probleme bei der Durchsetzung. Aber bis 2005 wird ein Drittel der Lehrer in Pension gehen und durch neue ersetzt. Und Linnert fügt hinzu: „Da die Lehrer alle verbeamtet werden, ist die Veränderung der Arbeitszeit rechtlich leicht einzuführen.“

Überhaupt nichts halten die Grünen von der Idee, Schulschwänzer mit der Kürzung des Kindergeldes zu bestrafen. „Schaumschlägerei“ sei dieser Vorschlag. Die angekündigte Bundesratsinitiative muss geradezu im Bundesrat scheitern: der Bund würde das Kindergeld sparen, die Länder zahlten in vielen Fällen bei der Sozialhilfe drauf. K.W.