strafplanet erde: benjamin grönemeyer von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Gewiss, wir leben in extrem gedenktagreichen, richtungsentscheidungsgesättigten Zeiten, sodass es nicht verwundert, wenn der eine oder andere Jubilar unbeachtet bleibt und sein Ehrentag entsprechend glattweg ignoriert wird. Ich denke da insbesondere an jemanden, der für einen, nun ja, zwar unmaßgeblichen, dennoch nicht geringen Teil der Bevölkerung von allergrößter Wichtigkeit und Relevanz ist …

Neulich hörte ich mein Lieblingshörspiel „Benjamin Blümchen rettet den Kindergarten“, und je länger ich zum werweißwievielten Mal der dröhnenden, liebreichen Stimme des total gutherzigen Elefanten Benjamin Blümchen lauschte, desto überzeugter wurde ich, diese Stimme in einem völlig anderen Zusammenhang, in einem ganz und gar divergenten Setting schon mal gehört zu haben. Kurzum: Ich hatte das seltsame Gefühl, dass Benjamin Blümchen niemand anderes ist als Lino Ventura.

Eine überraschend kurze Internetrecherche bestätigte den Verdacht: Der Schauspieler und Synchronsprecher Edgar Ott (1929–1994) hat beiden seine Stimme geliehen, dem Exboxer, Bullen und Rammbock Ventura und dem sanftmütig an den Nervenketten sägenden Dickhäuter Benjamin Blümchen, der vor 25 Jahren das Licht der Geschäftswelt erblickte. Ott war übrigens auch die deutsche Stimme von „Kojak“ Telly Savalas, von Balu im „Dschungelbuch“ und vom Krümelmonster aus der „Sesamstraße“.

Von hier ist es nicht weit zu Herbert Grönemeyer. Vorige Woche sprachen mich an demselben Tag zwei als musikalische Berater sehr ernst zu nehmende Freunde unabhängig voneinander auf Grönemeyers neue Platte an. Ob ich dieses bedeutende Werk denn schon gehört hätte; die Single und das Video seien tatsächlich „leider gut“ beziehungsweise „sensationell“. Verdutzt vernahm ich die Urteile und blieb misstrauisch.

Ich weiß zwar um die Meriten dieses Sängers, aber un- und selbstgerechterweise habe ich ihm einen Song nie verziehen, immer übel genommen, so übel, dass mir der ganze Mann suspekt ward. „Kinder an die Macht“ kennt Zeilen wie diese: „Es gibt kein Gut / Es gibt kein Böse / Es gibt kein Schwarz / Es gibt kein Weiß / Es gibt Zahnlücken / Statt zu unterdrücken / Gibt’s Erdbeereis auf Lebenszeit / Immer für ’ne Überraschung gut“.

Der Refrain ist noch ein paar Stockwerke unterirdischer: „Gebt den Kindern das Kommando / Sie berechnen nicht, was sie tun / Die Welt gehört in Kinderhände / Dem Trübsinn ein Ende / Wir werden in Grund und Boden gelacht / Kinder an die Macht“. Außerdem seien Kinder „die wahren Anarchisten“, denn sie „kennen keine Rechte, keine Pflichten“ und so weiter und so fort. Was ein Quatsch!

Versöhnliches Ende: Der Nummer-1-Hit „Mensch“, gebe ich zu, ist ein starkes Stück, auch wenn mich die Akkordfolge oder wie das heißt jedesmal an „Tea for Two“ erinnert. Und letztlich ist Herbert Grönemeyers Gesang immer noch besser als die Stimme von Karla Kolumna, der rasenden Reporterin aus der Benjamin-Blümchen-Serie. Törööööö!