„Statt Straße haben wir einen Fluss“

Die Ölindustrie soll dem Tschad Reichtum bringen. Die Menschen in den Ölfeldern erleben das ganz anders

DOBA taz ■ Die diesjährige Regenzeit hat die Bewohner von Bedjondo überrascht. Viel mehr Wasser als sonst fließt in das Dorf im Süden des Tschad und setzt die neu gebaute Straße unter Wasser – abgepumpt aus den neuen Ölbohrlöchern im Busch. Hätte die Baufirma Satom, die die Straße nach Bedjondo im Auftrag der Ölkonzerne erneuert hat, den Brief gelesen, den der Bürgermeister, der Kantonschef und der Pfarrer am 10. Februar geschrieben hatten, wäre die Straße jetzt nicht überflutet. „Wir haben soeben aus gesicherter Quelle erfahren, dass die Straße, die die Firma Satom auf der Route Kode–Bedwa–Beyol–Bebopen–Koka baut, nur in der Trockenzeit befahrbar sein wird“, warnten sie in ihrem Schreiben. „Die Firma Satom hat die Straße tiefer gelegt und sie liegt jetzt niedriger als früher. So wird die Situation in der Regenzeit schlimmer sein als früher. Wir werden noch mehr überschwemmt sein als sonst. Es besteht das Risiko, dass wir statt einer Straße einen Fluss haben werden, der in der Regenzeit quer durch den Kreis fließt. Man sollte handeln, bevor es zu spät ist.“ Aber es wurde nicht gehandelt.

Ohnehin ist nichts mehr, wie es war, seit hier die Ölkonzerne eingerückt sind. Arbeiter auf schweren Räumwagen fällen Bäume, wühlen die Erde auf und durchpflügen die Felder. Die Schulen der Region Doba sind zum größten Teil geschlossen, denn die Lehrer sind weggegangen. Ein Dorfchef berichtet, sein Lehrer habe sich als Wachmann auf einem Ölbohrfeld anstellen lassen, damit er ein Gehalt kriegt und sich ein Fahrrad kaufen kann. Der Ölkonzern zahlt ihm viel mehr als die Summe der Schulgelder, mit denen die Eltern des Dorfes ansonsten ihren Lehrer finanzieren. „Nun können 200 Kinder nicht mehr zur Schule gehen“, sagt der Dorfchef. Wer es sich leisten kann, schickt seine Kinder nun in die nächste Kleinstadt ins Internat zum Privatunterricht. Dort halten es die Kinder oft nicht aus und laufen weg. Das alles ist eine Katastrophe für ein Land mit einer Analphabetenrate von knapp 80 Prozent.

Im Gesundheitswesen sieht es nicht besser aus. Das von der katholischen Kirche betriebene Krankenhaus von Bebidja musste die Pforten schließen, nachdem das Personal in den Streik trat und höhere Gehälter forderte, um mit den durch die Ankunft der Ölindustrie gestiegenen Lebenshaltungskosten mithalten zu können. Erst nach einigen Tagen gab die Kirche nach. Die gesamte Bevölkerung der Region Bebidja hängt von diesem einen Gesundheitszentrum ab, um sich medizinisch versorgen zu können.

Dabei haben die Regierung des Tschad und die Weltbank versprochen, dass die Öleinnahmen für Investitionen in Bildung und Gesundheit genutzt werden. Die drei Ölfelder von Komé, Miandoum und Bolobo in der Region sollen 240.000 Barrel Öl pro Tag fördern, mit von der Weltbank abgesicherten Investitionen von 3,7 Milliarden Dollar. Der Tschad wird reich und glücklich werden, heißt es immer wieder. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. ABDOULAYE SEBY

Der Autor ist tschadischer Journalist