Beten und Arbeiten

Viele JournalistInnen zittern heute um ihren Job. Und käuen gleichzeitig unreflektiert das Mantra vom Sparzwang in der Zeitungsbranche wieder

von GITTA DÜPERTHAL
und STEFFEN GRIMBERG

Angesichts grassierender Sparorgien bei Zeitungen und Zeitschriften stehen die Journalistengewerkschaften plötzlich wieder mit vollen Sälen da. Zwar mutete das Thema „Linker Journalismus – gibt’s den noch?“ mit Blick auf die auch von FAZ bis Welt rollende Entlassungswelle etwas weltfremd an. Doch Eckart Spoo, langjähriger Korrespondent der ebenfalls arg gebeutelten Frankfurter Rundschau und heute Herausgeber der Zeitschrift Ossietzky, trifft den Kern: Das Branchenmantra „Es muss gespart werden“ werde von den JournalistInnen zunehmend unreflektiert nachgebetet, so Spoo. „Es wird zumeist weggenommen, von unten nach oben umverteilt.“ Aufgabe der Journalisten sei es aber aufzudecken: „Wer hat ein Interesse, dass gespart wird, und zu welchem Zweck?“.

Solche Worte finden Beifall im voll besetzen Saal des Club Voltaire, traditionell linker Szenetreff Frankfurts und heute Schauplatz einer Veranstaltung der Ver.di-JournalistInnen-Untereinheit dju. Und Spoo legt nach. Linker Journalismus sei ganz einfach zu definieren: „Für unten, gegen oben, für Arbeit, gegen Kapital, für Frieden, gegen Krieg.“ Das in den meisten Zeitungen geltende Dogma, dass der Kapitalismus nicht hinterfragt werden dürfe, sei angesichts der herrschenden Verhältnisse geradezu absurd. Doch heute würden Kriege selbst in linksliberalen Zeitungen herbeigeschrieben, sagte Spoo. Und sogar die liberale FR ignorierte laut Attac-Bundesrat Hardy Krampertz mehrere Attac-Veranstaltungen am Main, obwohl dort bis zu fünfhundert Menschen teilgenommen hätten.

Mehr Solidarität

Eine ausweglose Situation also? Spoo riet den anwesenden JournalistInnen zur Solidarität: Bei wichtigen Themen sei es angebracht, sich zuvor mit Kollegen zu verabreden. Würde das Resultat dieser kritischen Recherche dann vom eigenen Blatt abgelehnt, könnten sich die einzelnen Berichterstatter ja auf die Konkurrenz berufen. Motto: „In dieser und jener Zeitung wird das morgen ebenfalls erscheinen“.

Ob dies die Sparkommissare in den Verlagen allerdings überzeugt, scheint zweifelhaft: Ihnen geht es um Renditen und Gewinne, der publizistische Gehalt ihrer Blätter hat wenig Konjunktur. Unstrittig ist allerdings, dass der Branche ihre eigene selbstverschuldete Ratlosigkeit angesichts ausbleibender Anzeigenrekorde zu einer neuen Dreistigkeit verhilft: Die wirtschaftlich äußerst gesunde Essener WAZ-Gruppe gibt offen zu, mit dem allen Titeln auferlegten 10-prozentigen Sparziel nicht echte Not zu bekämpfen, sondern schlicht Kostensenkung zu betreiben.

Zumindest bei einem der Frankfurter Blätter sieht das schon anders aus: Die Frankfurter Rundschau hat echte Probleme, mit dem „kleinen Relaunch“ des Blattes Ende August wurden bereits Seiten und Stellen gestrichen. Am kommenden Freitag erscheint nun auch „Transit“, Erbe des alten „Modernen Lebens“, zum letzten Mal.