DIE NEUEN VERHALTENSREGELN FÜR ABGEORDNETE SIND HALBHERZIG
: Geräuschloses Ende einer Affäre

Künftig können wir also im Bundestagshandbuch nachschauen, welchen Nebentätigkeiten unsere Abgeordneten nachgehen. Wir erfahren, mit wem sie Beraterverträge abschließen, für wen sie Bücher schreiben und Vorträge halten. Mit der Änderung der Verhaltensregeln hat Rot-Grün eine erste Konsequenz aus der Hunzinger-Affäre gezogen und für ein bisschen Transparenz gesorgt. Mehr aber auch nicht. Wie viel die Politiker bei ihren Nebenjobs verdienen und von wem sie außerhalb ihrer offiziellen Tätigkeiten freundschaftliche Zuwendungen bekommen, bleibt im Verborgenen.

Wenn es darum geht, dubiose Verbindungen zu mächtigen Interessenvertretern und Rüstungslobbyisten aufzudecken, ist die Öffentlichkeit weiterhin auf Recherchen investigativer Journalisten oder Auskünfte von Denunzianten angewiesen. Welche Privatkredite oder Designerklamotten sie von PR-Berater Hunzinger bekamen, hätten Exverteidigungsminister Rudolf Scharping und der ehemalige Grünen-Star Cem Özdemir auch nach den jetzt beschlossenen Regeln nicht verraten müssen. Ihr politisches Aus war nur der Anlass für ein bescheidenes Reförmchen, das mit dem eigentlichen Grund für ihren Abschied nichts zu tun hat.

Laute Kritik braucht die Regierung allerdings nicht zu fürchten. Die Aufregung ist längst vorbei, das Thema Korruption war nur ein Lückenfüller in der Sommerpause. Die Union hält es nicht einmal für nötig, den laschen neuen Regeln zuzustimmen. Diese Ablehnung könnte man dreist nennen – oder einfach nur ehrlich. Die rot-grünen Politiker sollten sich jedenfalls hüten, aus dem Verhalten der Union einen Skandal zu machen. In Wirklichkeit setzen sie genauso auf die Vergesslichkeit der Bürger. Kurz vor der Wahl sind sie froh, dass die Bild-Zeitung Ruhe gegeben hat und dass zurzeit niemand mehr fragt, was Politiker nebenher so treiben. An Scharping und Özdemir will auch Rot-Grün um keinen Preis erinnert werden. Und schon gar nicht an Rezzo Schlauch, der sich bei seinem Bonusmeilen-Luxusflug nach Thailand nicht einmal an die Vorschriften für Abgeordnete gehalten hat, die es schon gibt. LUKAS WALLRAFF