Häuser bauen wie Swatch

Die Gewinner des Architekturwettbewerbs „Starterhaus“ punkten mit vorgefertigten Bauteilen: von der Industrietreppe bis zum geschweißten Sanitär-Modul von der Werft

von GERNOT KNÖDLER

Karin Renner und ihre Kollegen vom Hamburger Büro Renner Hainke Wirth Architekten (RHW) haben ein Wohnhaus entworfen wie eine Swatch-Uhr. „Wir können unser Haus unterschiedlich anziehen“, sagt die Architektin. Der Bau aus vorgefertigten Teilen lässt sich billig errichten und durch die spezielle Konstruktion mit wenig Aufwand den Wünschen des Bauherrn anpassen. Für das „Designhaus“ erhielten RHW den Dritten Preis im „Starterhaus“-Wettbewerb, mit dem die Bausparkasse BHW und die Zeitschrift Zuhause Wohnen den Deutschen früher zum Eigenheim verhelfen wollen.

„Es gibt in Europa keinen Arbeitnehmer, der so lange für Wohneigentum arbeiten muss, wie der in Deutschland“, sagt der BHW-Vorstandsvorsitzende Reinhard Wagner bei der Preisverleihung im Design-Hotel in Bahrenfeld. Dabei wollten 80 Prozent der Deutschen eigene vier Wände. Ein Quadratmeterpreis von 700 Euro, für den der Entwurf des zweiten Preises gebaut worden ist, treibt dem Bausparkassenwart den Puls hoch. Das könnte ihn fast mit der „Benachteiligung des Wohneigentums bei der Riester-Rente 2 versöhnen, aber nur fast.

Die 700-Euro-Hütte hat der bayerische Architekt Hans Kneidl konstruiert. Das Wichtigste, sagt Kneidl, sei es gewesen, den Keller wegzulassen. An sich keine revolutionäre Idee. Doch um ein paar der Vorteile eines Kellers mitnehmen zu können, ständerte er das Holzhaus einen halben Meter auf. Das bietet Schutz vor der Kälte und der Feuchtigkeit der Erde. Anstelle des Kellers stellte Kneidl eine Fertiggarage neben das Haus.

Industrietreppe: kostet wenig und ist gesund

Im Inneren verzichtete der Architekt auf Verkleidungen. Das Material der Träger und Wände bleibt sichtbar. Und schließlich ein Kniff, den alle Preisträger anwandten: Er baute vorgefertigte Teile in sein Haus, zum Beispiel eine verzinkte Industrietreppe. „Das kostet wenig und ist durchblutungsfördernd, wenn man mit Strümpfen da hochgeht“, sagt Kneidl. Wichtig sei es, beim Planen Industrienormen einzuhalten, so dass möglichst wenig Material durch Verschnitte verloren gehe.

Der Sieger-Entwurf der Stuttgarter Mark Arnold und Arne Fentzloff verwendet Maschendraht als Treppengeländer, an das man Kleiderbügel hängen kann. Ihr Budget von 250.000 Euro kollidierte bisweilen mit dem Ehrgeiz der Bauherren. „Um die gestalterischen Ideen zu realisieren, mussten wir oft die günstigste Lösung finden“, sagt Fentzloff. Für schicke, aber teure Blechschindeln an der Fassade verzichteten sie auf einen Parkettboden. Stattdessen gossen sie einen Asphalt-Estrich und lackierten ihn.

Die zentrale Idee von Arnold und Fentzloff besteht jedoch darin, zu einem Haupt- ein Nebenhaus zu bauen. Ein gläserner Gang schließt den Zwei-Zimmer-Bad-Ableger an. Hier können erst die Teenager-Kinder unter sich sein; später kann die Oma einziehen oder ein guter Freund im Sinne einer Senioren-WG.

Angedockt: Wohnen in der Hafencity

Das Fertighaus mit der Bronze-Medaille von RHW hat die Form eines umgestürzten Strandkorbes, der mit seiner hohen Stirn in die Sonne gedreht wird. Nicht nur seine Fassade kann verändert werden: Auch die Räume lassen sich nach Wunsch des jeweiligen Bauherren individuell aufteilen. Aus einem Grundmodell kann, wer will, ohne viel Aufwand ein Passivhaus oder ein Reihenhaus entwickeln. Die Designhäuser lassen sich miteinander verkoppeln.

Modular ist auch der Entwurf, mit dem die damalige Architekturstudentin Sabine Kämpermann den diesjährigen Innovationspreis gewonnen hat. Kämpermann entwarf als Basiseinheit einen mehrstöckigen „Tower“. Dieser wird fest an der Kaimauer verankert und nimmt auf 40 Quadratmetern im wesentlichen auf, was an die städtische Infrastruktur angeschlossen werden muss: Küche, Bad, WC und Heizung. Die verschweißte Stahlkonstruktion ist hochwassersicher und könnte auf einer Werft im Hafen hergestellt werden.

An den Tower angehängt würden Pontons, die sich wie überall im Hafen mit der Tide heben und senken. Daran könnte ein Hausboot festmachen, schlägt Kämpermann vor. Darauf könnte aber auch ein Haus errichtet werden, und ein weiterer Ponton könnte einen Garten tragen. Viele Tower würden, nebeneinander gebaut, eine bunte Siedlung auf dem Wasser erschließen. Kämpermann versteht ohnehin nicht, „wieso in der Hafencity nicht viel mehr auf dem Wasser gebaut wird“.