Rathaus-Wand wie altbekannt

Kalk-Schlamm in den Mauerritzen, vor dem Verfall geschützte Porno-Szenen und die Liebe zur Fassade

Keiner kennt die Rathaus-Fassade besser als Thilo Schmitt: Sieben Monate lang waren der Steinmetz und seine Kollegen auf 20 Zentimeter Entfernung an dem berühmten Bauwerk dran. Ab Montag fällt die letzte Hülle – Stück für Stück und zunächst nur bis zum Balkon.

taz: Sind Sie froh, dass die Plane jetzt wegkommt?

Thilo Schmitt, Steinmetz: Ja natürlich. Man ist dahinter doch ziemlich abgeschnitten von der Welt. Außerdem heizt sich die Luft hinter der Plane kräftig auf.

Sieben Monate hinter der Plane: Was haben Sie da gemacht?

Wir haben Ritze und größere Abschuppungen mit einer Schlämme überzogen, damit kein Wasser mehr eindringen kann. Die vielen morbiden Bereiche haben wir alle gefestigt.

Wie viele Meter Ritzen haben Sie zugemacht?

Sicher mehrere Hundert.

So nah dran an der Fassade – da entdeckt man bestimmt noch so manche Besonderheit.

Die Bildhauer haben so manchen Scherz mit eingebaut. Da gibt es ein Relief, das zeigt Leda mit dem Schwan. Der hat ein ausgeprägtes Geschlechtsteil. Die Kirchenmaler, die das farblich gefasst haben, hatten das ursprünglich sogar vergoldet.

Das haben Sie orginalgetreu restauriert?

Wir haben es geschlämmt, neu angemalt worden ist es aber nicht. Wir haben nur den Zustand eingefroren, wie er ist. Man soll ruhig sehen, dass es alt ist und kein Neuteil, dass der Zahn der Zeit an dem Gebäude genagt hat. Das ist das Konzept.

Hat sich zwischen Ihren Kollegen und der Fassade im Laufe der Zeit eine Art Freundschaft entwickelt?

Sowohl als auch. Jeder hatte so seine Lieblingsecken. Man beginnt wirklich, ein Verhältnis aufzubauen. Man schaut sich die Figuren anders an. Man merkt, welche Handschriften die verschiedenen Künstler gehabt haben. Und irgendwann fühlt man sich da zuhause.

Wo ist Ihre Lieblingsecke?

Meine? An den Reliefbildern direkt unter den Gesimsen. Da sind einige schöne Konsolen dabei. Da hab’ ich auch nicht nur Ritzen geschlossen, sondern ein kaputtes Teil richtig ergänzt.

Was war die größte Herausforderung?

Beim Schlämmen die Patina farbgenau hinzukriegen. Wenn man merkt, dass man keinen Unterschied mehr zwischen Reparaturstelle und Umgebung sieht – das sind so die kleinen Siege.

Was passiert, wenn der obere Gerüstteil abgebaut ist?

Dann geht es an den Balkonen weiter. Bis zum Erdboden hin. Da haben wir noch ein gutes Stück abzuarbeiten. Wenn Ende November das Gerüst ganz weg kommt, arbeiten wir nur noch unter den Arkaden.

Die Fußgängerzone sieht aus wie geschleckt. Wird sich das Rathaus auch so präsentieren?

Nein. Das kann man mit Sicherheit sagen: Es wird nicht neuer ausschauen als zuvor.

Ein Teil der Arbeiten war nur nötig, weil bei früheren Renovierungen Mist gebaut wurde.

Man hatte eben andere Methoden. Manchmal wurden bestimmte Materialien verwendet, weil man nichts anderes hatte, oder weil es kostengünstig war.

Welchen Pflegetipp geben Sie dem Hausherrn?

Auf jeden Fall gehört da eine richtige Taubenabwehr dran. Aber das ist Sache des Architekten. Ansonsten: Die Luft und den Regen sauber machen. Aber die Zeit wird in jedem Fall weiter an der Fassade arbeiten. Fragen: sim