Kleine Parteien hoch im Kurs

Bei der Kinder- und Jugendwahl U 18 wählen die Schüler des Fichtenberg-Gymnasiums in Steglitz mehrheitlich Grüne und FDP. Die SPD ist nicht sehr gefragt, die Union gilt sogar als Schreckgespenst

von JOHANNA TREBLIN

Auf dem Gang stehen Stellwände mit Informationen zu „Rio plus 10“ und dem Kioto-Protokoll. Direkt gegenüber ist das Wahllokal für die Kinder- und Jugendwahl U 18. Lena und Niko, beide Schüler des Fichtenberg-Gymnasiums in Steglitz, sind Wahlhelfer. Sie sitzen an einem ihrer Schultische und geben die Wahlzettel heraus. Ein Junge kommt an ihren Tisch. „Welche Klasse, wie heißt du?“, fragt Lena, dann streicht sie Jans Namen auf einer Liste aus. Dieser verschwindet mit seinem Stimmzettel kurz in der Wahlkabine und wirft ihn anschließend in einen von zwei Mickymäusen gehaltenen Briefkasten.

Seine Erststimme hat Jan den Grünen gegeben, mit der Zweitstimme unterstützt der 17-Jährige die SPD: „Weil ich nicht will, dass die CDU an die Regierung kommt“, sagt er. „Ich glaube, dass der Schuldenberg mit der SPD besser zu bewältigen ist.“ Aber so richtig hat sich der Zwölftklässler noch nicht mit den Parteiprogrammen beschäftigt. „Ich muss ja noch nicht richtig wählen.“

Jan muss in der Pause wählen. Denn in der zwölften Klasse sind die meisten schon 18 und dürfen ihre Stimme bei der Bundestagswahl am 22. September wirklich abgeben. Die Klassen zehn und elf dagegen treten während der Unterrichtszeit geschlossen zum Urnengang an. Die jüngeren Schüler sind von der Wahl ausgeschlossen. „Die Lehrer haben das Thema in ihren Klassen angesprochen und festgestellt, dass das Interesse erst bei den Zehntklässlern da ist“, sagt Lena. Sie hat in der dreizehnten Klasse Politische Weltkunde (PW) als Leistungskurs. Ihr Lehrer, Wolfgang Zierau, hat die U 18-Wahl in der Fichtenberg-Schule angeleiert. Die Schüler seines Kurses wechseln sich als Wahlhelfer ab.

Niko glaubt, dass die meisten wahlberechtigten Schüler am Fichtenberg-Gymnasium an der U 18 teilnehmen. „Die meisten Namen sind schon durchgestrichen.“ Die hohe Zahl der freiwilligen Einzelwähler in der Pause bestätigt Lenas Meinung, dass „die Leute wählen wollen“. Dennoch scheint die Mehrzahl der jüngeren Mitschüler den Wunsch nach einer Herabsetzung des Wahlalters, eines der Hauptanliegen der Kinder- und Jugendwahl, nicht zu verspüren. Nur von einem 17-jährigen Mitschüler weiß Lena, dass er am 22. gerne wählen würde. Er hat eine Klasse übersprungen und ist jetzt schon in der 13. „Der findet U 18 richtig gut.“

Die Fichtenberg-Schule ist eine von 266 Einrichtungen, die als Wahllokale an der Kinder- und Jugendwahl teilnehmen. Die meisten von ihnen sind Jugendeinrichtungen, die erst gegen 14 Uhr ihre Türen für politisch Interessierte öffnen. Wahlschluss ist überall um 18 Uhr. Die Ergebnisse für die einzelnen Bezirke sowie Gesamtberlin sind eine halbe Stunde später – nach dem Redaktionsschluss dieser Seite – im Internet abrufbar (www.U18.org).

Nach der zweiten großen Pause kommt eine elfte Klasse zum Wahllokal. Die meisten Schüler wählen den Direktkandidaten der SPD und geben ihre Zweitstimme den Grünen. Mathilda wählt Grün, „weil ich Joschka Fischer mag. Der macht sich gut als Außenminister.“ Außerdem sei das Parteiprogramm einleuchtend, besonders bei der Gesundheits- und Ernährungspolitik. Stoiber als Kanzler will die 16-Jährige auf keinen Fall: „Der führt die Sperrstunde wieder ein. Und Religion würde dann Pflichtfach werden.“ Kurz hatte Mathilda überlegt, die PDS zu wählen, aber die war ihr dann doch zu „ost-orientiert“.

Die zehnte Klasse, die sich dann vor den Wahlkabinen drängelt, wählt in der Mehrzahl FDP. „Wir haben im Sozialkundeunterricht die Parteiprogramme durchgenommen. Das von der FDP gefiel mir am besten“, sagt Christoph (15). „Ich finde die Ökosteuer zu hoch und die FDP will die abschaffen. Außerdem wollen sie die Jugendarbeit verbessern.“ Auch bei seinen Mitschülern haben die großen Parteien keinen guten Stand. Die 16-jährige Anja wählt mit Erst- und Zweitstimme Grün. Sie glaubt nicht, ihre Erststimme verschenkt zu haben. „Bei einer richtigen Wahl hätte ich vielleicht SPD gewählt, aber hier – wer weiß, vielleicht gewinnen die Grünen ja wirklich.“ Ihr Sozialkundelehrer scheint einerseits gute Aufklärungsarbeit in Sachen Wahltaktik, andererseits aber auch parteipolitische Arbeit geleistet zu haben.