Klage gegen den Haushalt

Die Fraktionen von CDU, FDP und Grünen verklagen den rot-roten Senat, weil der Haushalt aus ihrer Sicht verfassungswidrig ist. SPD-Finanzsenator bleibt gelassen

Die schwarz-gelb-grüne Opposition ist sich einig – zumindest in einem Punkt: Gemeinsam will sie gegen den Haushalt des rot-roten Senats vor das Landesverfassungsgericht ziehen. Gestern reichten die drei Fraktionen ihre lang angekündigte Klage gegen den Doppelhaushalt 2002/2003 ein. Ihr Vorwurf: Die Kreditaufnahme übersteigt die für Investitionen verwendeten Mittel. Die Verfassung lässt dies aber nur dann zu, wenn die höhere Neuverschuldung zur Abwendung einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verwendet wird.

Dies sehen die Oppositionsfraktionen aber nicht als gegeben an. Der Doppelhaushalt sei verfassungswidrig, weil die Summe der neuen Kredite in den Jahren 2002/2003 mit mehr als zehn Milliarden Euro die Summe der geplanten Investitionen in Höhe von rund 3,9 Milliarden Euro bei weitem überschreite, hieß es. Auch in der mittelfristigen Finanzplanung des Senats übersteige die Summe der Neuverschuldung die der Investitionen. Nur per höchstrichterlicher Entscheidung könne Druck erzeugt werden, die Schere zwischen Investition und Neuverschuldung wieder zu schließen.

Diese Situation ist nicht neu. Auch in den vergangenen Jahren überstieg die Höhe der Schulden regelmäßig die Ausgaben für Investitionen, was nur durch Buchungstricks kaschiert wurde. Nur weil zu Zeiten der großen Koalition die Opposition nicht genügend Stimmen für einen Gang vor das Verfassungsgericht zusammenbrachte, ist es noch nicht zu einer Klage gekommen.

Der CDU-Haushaltsexperte Nicolas Zimmer nannte die Verfassungsklage eine Möglichkeit, Druck zu erzeugen. Zu hinterfragen sei aber auch, welche Ausgaben als Investitionen gelten würden. „In der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts sind auch Ausgaben für Bildung und Qualifizierung Investitionen, nicht nur solche für Gebäude oder Infrastruktur.“ Sollte die Verfassungsklage eine Diskussion darüber anregen, wäre dies ein positiver Nebeneffekt.

Die Opposition erwartet sich darüber hinaus von einer Entscheidung der Berliner Verfassungsrichter Argumentationshilfen für einen möglichen Gang des Senats zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dort könnte Berlin den Bund auf Unterstützung verklagen, weil sich die Haupstadt in einer Haushaltsnotlage befindet.

Die Zinslast wachse nämlich in Berlin schneller, als durch Einsparung erzielt werde, konstatierte der grüne Finanzexperte Jürgen Esser. „Wir stecken in einer Schuldenfalle, aus der wir alllein nicht mehr herauskommen.“ Dies sieht Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ähnlich. Berlin könne die Summe der Investitionen und der Neuverschuldung nur dann in Einklang bringen, wenn der Bund helfe. In diesem Punkt herrscht also weitgehend Einigkeit zwischen Opposition und Senat. Trotz Verfassungsklage. Oder gerade deswegen. RICHARD ROTHER