Im Schlafanzug zur Arbeit gehen

Ausschließliche Telearbeit in der eigenen Wohnung ist längst nicht so verbreitet, wie erwartet. Arbeitnehmern fehlt nicht nur der Schwatz auf dem Firmenflur. Der Trend geht zum Mix: Arbeiten halb zu Hause, halb im Unternehmen

Die Vorstellung von Telearbeit ist in erster Linie ein Klischee. Da sitzt eine Mutter vor ihrem Notebook, während unter dem Tisch ein Kleinkind krabbelt. Doch die Realität sieht komplett anders aus. Nicht nur das Verbinden von Job und Familie soll damit geleistet werden, sondern Arbeitgeber wollen wertvolle Büroquadratmeter sparen, wenn der Arbeitnehmer den Firmencomputer zu Hause aufbaut. So jedenfalls war es einmal angedacht.

Verbreitet ist die echte Telearbeit nur in wenigen Betrieben und Behörden. Schätzungsweise 250.000 Telearbeitsplätze existieren derzeit in ganz Deutschland, das macht rund 0,5 Prozent aller Angestelltenverhältnisse aus. Laut einer Studie des Bundesarbeitsministeriums könnten es mit 2,5 Millionen Arbeitsplätzen theoretisch rund zehnmal so viel sein.

Dass sich Telearbeit in Deutschland nur schleppend durchsetzt, liegt nicht unbedingt am mangelnden Interesse der Arbeitnehmer. Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts entstehen die meisten Telearbeitsplätze auf Initiative der Angestellten. In der Regel sind es vor allem große Firmen wie die Telekom oder Johnson & Johnson, die Mitarbeiter auch von zu Hause aus arbeiten lassen. Bei Johnson & Johnson spielt der Kinderwunsch weiblicher Führungskräfte mitunter eine Rolle. So richtete der Konzern für die Marketingleiterin Simone P. während der Kleinkindphase ihres Sohnes einen Arbeitsplatz zu Hause ein. Nun pendelt die Managerin zwischen Firma und Arbeitszimmer hin und her.

Bei der Telekom arbeiten Angestellte seit 1999 von zu Hause aus. Nach einer Testphase hatten 97 Prozent aller 167 Beteiligten erklärt, dass sie diese Arbeitsform bevorzugen. Bessere Arbeitsbedingungen und flexiblere Arbeitszeiten wurden als Argumente für die Telearbeit genannt. Dass 60 Prozent aller am Probelauf beteiligten Telearbeiter Männer waren, entkräftet das Vorurteil, dass vor allem Frauen mit Kindern an der Heimarbeit interessiert seien.

Angestellte, die ausschließlich zu Hause arbeiten und keinen Arbeitsplatz mehr im Unternehmen vorfinden, sind allerdings rar gesät. Nicht nur Teamsitzungen zwingen dazu, sich in der Firma sehen zu lassen. Es ist auch der Wunsch nach direkter Kommunikation, der vielen am heimischen Arbeitsplatz fehlt. Das sehen die Gewerkschaften ähnlich: Wer isoliert seinem Job nachgeht, erfährt in der Regel keine Solidarität, wenn der Arbeitgeber zu tricksen beginnt.

CHRISTINE BERGER