Auf das Angebot folgt der Kuhhandel

Die USA fordern eine schnelle Einigung auf neue UN-Resolutionen gegen den Irak. Die Verhandlungen mit China und Russland sind längst im Gange. Derweil probt Großbritannien schon mal den Aufmarsch für den Krieg am Golf

BERLIN taz ■ Man habe der Welt gegeben, was sie gefordert hat. Jetzt erwarte man eine schnelle Antwort. Über das Wochenende will US-Außenminister Colin Powell den Diplomaten noch Zeit geben – schließlich müssten sie sich ja erst mit den Hauptstädten absprechen. Aber dann soll es gleich an die Details gehen. „Wir wollen nicht, dass sich das hinzieht“, drängte der Außenminister und ließ ebenso wie sein Präsident noch offen, in welcher Form der UN-Sicherheitsrat die Forderungen George W. Bushs umsetzen soll.

Die Haupstädte, die Powell meint, heißen Moskau und Peking, denn die diplomatischen Bemühungen der US-Regierung werden sich ganz auf Russland und China richten, zwei der fünf mit Vetorecht ausgestatteten ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat. Denn Frankreich hatte schon vor der Bush-Rede eingelenkt. Paris kann sich sogar einbilden, die USA hätten ihren Plan von zwei aufeinander folgdenen Resolutionen – erst eine Fristsetzung zur Akzeptanz von Inspektionen durch den Irak, dann die Autorisierung eines Angriffs – übernommen.

Dem ständigen Mitglied Russland hätten die USA bei dem Verzicht auf sein Veto einiges zu bieten. Zum einen könnten die USA mit der Zusicherung, Irak werde unter einem neuen Regime seine enormen Schulden an Russland zurückzahlen, die russische Position aufweichen. Zum anderen könnte Washington deutlich machen, dass das Schweigen der USA zum russischen Vorgehen in Tschetschenien bei einem Veto ebenso auf dem Spiel stünde wie die diplomatische Aufwertung, die Bush im letzten Jahr Präsident Putin zukommen ließ. Mit der angekündigten Ausbreitung des Krieges auf georgisches Territorium gibt es nun einen weiteren Grund für Moskau, auf gute Zusammenarbeit mit den USA zu bauen – auch wenn der Staatssekretär im US-Außenamt, John Bolten, gestern nach Gesprächen in Moskau solch einen Zusammenhang zurückweist.

Auch gegenüber China gibt es genügend Spielraum für einen Kuhhandel. Wohlverhalten bei der nächsten Konfrontation Pekings mit Taiwan gehört ebenso dazu wie eine Zurückhaltung der USA bei der Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen und der Behandlung von Minderheiten in China. Peking sendete gestern schon erste positive Signale an Washington: die Irak-Frage müsse „im Rahmen der Vereinten Nationen“ gelöst werden, kommentierte Außenminister Tang Jiaxuan Bushs UN-Rede. Man werde bei der Suche nach einer politischen Lösung eine „aktive und konstruktive“ Rolle übernehmen, ergänzte sein Sprecher. Eine Enthaltung Chinas im Sicherheitsrat wie schon bei der Golfkriegsresolution 1990 wird damit denkbar.

Theoretisch könnte eine Sicherheitsratsresolution auch noch an den zehn nichtständigen Mitgliedern scheitern, die jeweils für zwei Jahre dem Gremium angehören. Neben Mexiko, Mauritius, Singapur, Syrien, Kamerun, Kolumbien und Guinea sind darunter auch das EU-Land Irland, das Nato-Mitglied Norwegen und der Nato-Beitrittskandidat Bulgarien. Da eine Entscheidung über die Osterweiterung der Nato bei einem Gipfel im November fällt, ist insbesondere bei Bulgarien ein Höchstmaß an Wohlverhalten gegenüber den USA zu erwarten. Sollten sich die „großen fünf“ einigen, müsste ein kleiner Mitgliedsstaat ohnehin enorme Standfestigkeit beweisen, würde er gegen einen ausgehandelten Resolutionstext opponieren. Insofern hat die Bundesregierung wohl Glück, dass die Abstimmungen noch vor Ende dieses Jahres anstehen: Denn während der laufenden Sitzungsperiode der UN-Generalversammlung will sich Deutschland mit Wirkung zum 1. Januar für zwei Jahre in den Sicherheitsrat wählen lassen.

Wie wenig die von Bush angekündigte Einbeziehung des UN-Sicherheitsrates das militärische Vorgehen der USA und Großbritanniens beinflusst, machten gestern Berichte über britische Militärplanungen deutlich. Britischen Pressemeldungen zufolge ist geplant, bereits Ende dieses Monats mit der Verlegung von 30.000 Truppen nach Kuwait zu beginnen. Unmittelbar nach einer für den 24. September angesetzten Parlamentsdebatte solle mit der Stationierung nahe der irakischen Grenze begonnen werden. Das Verteidigungsministerium in London dementierte zwar die Berichte, bestätigte aber, dass bereits an diesem Wochenende große Mengen an Waffen und Material in einem britischen Hafen zusammengezogen würden – natürlich als Übung und ganz unabhängig von Planungen für einen Krieg gegen Irak. ERIC CHAUVISTRÉ