Sie brauchen Hilfe? Ihr Problem!

Neue Pläne für die Sozialzentren: Der Sozialdienst soll verstümmelt werden, Behinderte und Ältere blieben dann künftig mit ihren Problemen allein. Dabei wissen alle: Immer mehr alte Menschen werden immer mehr Hilfe brauchen

Insider fürchten, dass ein Krisendienst das Land teurer kommt als Prävention

Ein alter Mensch stürzt, bleibt behindert, kommt in seiner Wohnung nicht mehr zurecht – und keinen kümmert‘s. Ein solches Schreckensszenario könnte Wirklichkeit werden, wenn Pläne des Sozialressorts umgesetzt würden. Die sehen nämlich vor, den so genannte „Sozialdienst Erwachsene“ derart umzubauen, dass am Schluss nichts von ihm übrig bliebe. Ein „sozialpolitischer Skandal“ wäre das, fürchtet der Personalrat.

Der Sozialdienst Erwachsene ist Teil des Amtes für Soziale Dienste (AfSD) und der zwölf Sozialzentren in den einzelnen Stadtteilen angegliedert. Er umfasst 36 Stellen – noch. Die MitarbeiterInnen kümmern sich um Hilfen aller Art, meist für Menschen mit Behinderungen. Dem gefallenen alten Menschen organisieren sie die Art von Hilfe, die er zuhause künftig braucht, kümmern sich um eine andere Wohnmöglichkeit oder um einen Heimplatz. Geistig behinderten Menschen suchen sie die richtige Wohnmöglichkeit. Ebenso dem jungen Mann, den seine Mutter rausgeschmissen hat. Ihm versuchen sie auch einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. Aufgabe des Sozialdienstes Erwachsene ist es, dafür zu sorgen, dass die Menschen so selbstständig wie möglich bleiben und auch präventiv einzugreifen, bevor eine Situation eskaliert und beispielsweise eine Heimeinweisung nötig wird. Die Mitarbeiter sind Ansprechpartner für alle Bürger, keineswegs nur für Sozialhilfeempfänger. Sie verfügen nicht in erster Linie über Geld – das tun die Kollegen vom Sozialdienst Wirtschaftliche Hilfen, vulgo: Sozialamt. Der Sozialdienst Erwachsene ist der beratende, helfende Part der Bürokratie.

Nun sollen von den 36 Stellen vier gestrichen, die verbliebenen 32 neu verteilt werden: zwölf sollen dem Bereich „Junge Menschen“ (bis 27 Jahre) zugeordnet werden. Acht Mitarbeiter sollen sich künftig der Begutachtung annehmen: Sie sollen die Situation von Menschen in Heimen dokumentieren und begutachten, welche Maßnahmen anstehen. Bleiben noch zwölf Mitarbeiter für den Sozialdienst Erwachsene. Sie sollen in den Sozialzentren angesiedelt werden – pro Zentrum eine Stelle. Damit, sind sich die Sozialdienst-MitarbeiterInnen sicher, ist der Dienst faktisch tot: Im Fall von Krankheit oder Urlaub gibt es keinen Sozialdienst vor Ort. Und mit einer Stelle sind die Möglichkeiten so eingeschränkt, dass nur noch ein „Krisendienst“ – so heißt es in den Plänen des Ressorts – möglich ist. Womit der präventive Ansatz passé wäre. In der Behörde gibt es Stimmen, die schon jetzt davor warnen, dass diese Idee das Land schlussendlich mehr kosten würde statt Geld zu sparen. „Die Vermeidung von stationärer Unterbringung durch Aufzeigen von ambulanten und teilstationären Alternativen gerät ins Hintertreffen, was zu Kostensteigerungen führen kann“, heißt es in einer internen Stellungnahme der Abteilungsleiterin, die der taz vorliegt. Mehr noch: Die geplante Stellenreduzierung „macht die Unterstützung der Selbsthilfepotenziale für die Adressatengruppen in den Stadtteilen nahezu unmöglich.“ Weniger Stellen bedeuten weniger Know-How und damit „eine stärkere Abhängigkeit von Trägerinteressen (Kostenanstieg)“, schreibt die Abteilungsleiterin. Schließlich: „Der sozialpolitische Focus auf behinderte und alte Menschen wird weitestgehend aufgegeben zugunsten von ‘Krisenbewältigung‘.“

Und zugunsten des Etats. Oder, andersrum gesagt: auf Kosten der Betroffenen. Das Amt für Soziale Dienste ächzt unter den strengen Vorgaben des Personaleinsparungsplans (PEP), wonach es bis zum Jahr 2005 einhundert Stellen abbauen muss (die taz berichtete), die Stimmung unter den Beschäftigten ist laut Personalrat auf dem Nullpunkt. Das Sozialressort hat die Reform des Amtes für Soziale Dienste unter Sparzwängen, aber auch unter der Überschrift „Mehr Bürgernähe“ angeschoben. „Das, was mit den Sozialzentren an Nähe vor Ort etabliert werden sollte, wird so konterkariert“, sagt Personalrat Arnd Möller zu den aktuellen Plänen.

Dabei ist der Ressortspitze bestens bewusst, dass der Bedarf nach Rat und Hilfe da ist. Und steigt. Neulich hat die Sozial- und Gesundheitssenatorin Karin Röpke (SPD) den Krankenhausbereich als Arbeitsplatzfaktor gepriesen, insbesondere die Geriatrie, zu deutsch: die Altenheilkunde. Sie sei, so Röpke, „wie wir alle wissen, ein Bereich mit Wachstumschancen“.

Susanne Gieffers