Bush will nicht lange warten

US-Präsident droht der UNO mit Bedeutungslosigkeit, falls der Sicherheitsrat nicht schnell gegen den Irak handelt. Berlusconi hält Krieg im Januar oder Februar für möglich

Fischer fürchtet eine „große Tragödie für den Irak und die gesamte Region“

BERLIN taz ■ US-Präsident George W. Bush hat am Wochenende erneut deutlich gemacht, dass die USA bereit sind, auch ohne internationale Unterstützung militärisch gegen den Irak vorzugehen. „Täuschen Sie sich nicht. Wenn wir uns des Problems annehmen, dann tun wir das auch“, sagte Bush nach einem Treffen mit Italiens Premierminister Silvio Berlusconi auf dem Landsitz des Präsidenten in Camp David. Den Vereinten Nationen drohte er an, entweder sie erweise sich als „friedenserhaltende Organisation“ oder sie werde unbedeutend. Die Vereinten Nationen müssten gegenüber Irak „Rückgrat“ zeigen und ihre „Relevanz“ demonstrieren.

Unter den Mitgliedern des Sicherheitsrates scheint es noch Uneinigkeit über Fristen zu geben, die dem Irak zur Zulassung von Inspektoren gesetzt werden sollen. Während einige Mitgliedsstaaten offenbar an einen Zeitraum von sechs Monaten denken, um gründliche Inspektionen zu ermöglichen, besteht die US-Regierung auf eine Umsetzung innerhalb von Wochen.

Berlusconi sprach nach seinem Treffen mit Bush davon, dass ein militärisches Vorgehen gegen den Irak im Januar oder Februar denkbar sei. Der US-Militärexperte John Pike, Leiter des Forschungsinstituts Globalsecurity.org, sagte im Gespräch mit der taz, er erwarte einen Krieg „zwischen Mitte November und Anfang Februar“.

Bundesaußenminister Joschka Fischer begrüßte in seiner Ansprache vor der Generalversammlung am Samstag, dass „Präsident Bush in seiner jüngsten Rede den Weg in den Sicherheitsrat gegangen ist“. Unmissverständlich müssten Sicherheitsrat und Mitgliedsstaaten der Regierung in Bagdad klar machen, dass die uneingeschränkte und bedingungslose Wiederzulassung der Waffeninspekteure der einzige Weg seien, eine „große Tragödie für den Irak und die gesamte Region“ zu vermeiden. Die Bundesregierung wolle jedoch „keinen Automatismus hin zur Anwendung militärischer Zwangsmaßnahmen“.

Fischer stellte in seiner Rede ausführlich die Bedenken der Bundesregierung dar. Man frage sich, ob wirklich alle Druckmöglichkeiten ausgeschöpft seien, zu welchen Folgen ein militärisches Eingreifen führe, was dies für die regionale Stabilität bedeute, welche Auswirkung ein militärisches Vorgehen für den Nahost-Konflikt habe und welche Folgen dies für den „Fortbestand der weltweiten Koalition gegen den Terrorismus“ habe.

Am Rande der Vollversammlung sprach Fischer mit dem irakischen Außenminister Nadschi Sabri. Es läge in erster Linie am Irak, einen Krieg zu verhindern, sagte Fischer nach dem Treffen. In Bagdad sagte der stellvertretende irakische Regierungschef Tarek Asis, Irak würde die Waffeninspektoren nur im Rahmen eines „umfassenden Abkommens“ ins Land lassen. „Wenn es eine Lösung gibt, die Iraks Souveränität, Würde und legitimen Rechte bewahrt“, sei Irak dazu bereit. Ägyptens Außenminister Ahmed Maher wollte nach Konsultationen mit Amtskollegen in New York „Zeichen der Flexibilität“ in der irakischen Haltung erkennen.

Nach Ansicht des ehemaligen CIA-Chefs James Woolsey spielen in den Verhandlungen über eine UN-Resolution auch künftige Ölförderrechte im Irak eine Rolle. Frankreich und Russland solle klar gemacht werden, dass im Falle ihrer Unterstützung für einen Regimewechsel im Irak die USA alles in ihren Kräften stehende tun werden, „damit die neue irakische Regierung und die US-Ölgesellschaften mit ihnen zusammenarbeiten“, sagte der Exgeheimdienstchef und Mitglied im einflussreichen „Defense Advisory Board“ des US-Verteidigungsministeriums der Washington Post. Wenn sie auf der Seite des jetzigen Regimes stünden, so Wollsey, werde es für diese Länder sehr schwierig sein, künftig mit dem Irak zusammenzuarbeiten. ERIC CHAUVISTRÉ

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