Keine Rechtshilfe

Bei drohender Todesstrafe hält Deutschland Beweismittel zurück

FREIBURG taz ■ Der Prozess gegen Ramsi Binalshibh findet wohl in in den USA statt. In Deutschland besteht zwar schon lange ein Haftbefehl gegen den 30-jährigen Jemeniten, der lange Zeit in Hamburg lebte. Innenminister Otto Schily sagte gestern jedoch, Deutschland werde auf die Auslieferung verzichten, falls die USA Anspruch auf ihn erhebe. US-Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice hatte zuvor erklärt, die USA wollten Binalshibh in Gewahrsam nehmen, um „herauszufinden, was er weiß“.

Pakistanische Zeitungen meldeten, Binalshibh werde in der Nähe des Flughafens von Karatschi festgehalten und könne schon bald in die USA ausgeflogen werden. Wenn der Prozess gegen Binalshibh tatsächlich dort stattfindet, stellen sich viele juristische Probleme. Denn die meisten Beweismittel gegen Binalshibh befinden sich in Deutschland. Und die Bundesregierung darf und will den USA keine Unterlagen übermitteln, wenn diese zur Verhängung der Todesstrafe führen können. Präzedenzfall ist der US-Prozess gegen Zacarias Moussaoui, der vor dem 11. September festgenommen worden war, weil er in einer US-Flugschule Verdacht erregt hatte. Bis heute verweigert Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) den Amerikanern die Originaldokumente, die Moussaoui belasten.

Dass die Bundesregierung bei dieser strikten Linie auf die Rückendeckung der anderen europäischen Regierungen vertrauen kann, zeigte am Wochenende ein informelles Treffen der EU-Innen- und Justizminister in Kopenhagen. Demnach gehen alle EU-Staaten davon aus, dass die Europäische Menschenrechtskonvention bei drohender Todesstrafe weder Auslieferung noch sonstige Rechtshilfe erlaubt.

Früher haben die USA in derartigen Fällen stets vorab auf die Verhängung der Todesstrafe verzichtet. Im Fall Moussaoui sind die Verhandlungen jedoch seit Monaten festgefahren. Möglicherweise will die Bush-Administration die bevorstehenden Kongresswahlen abwarten, bevor sie die sonst üblichen Zugeständnisse macht.

Eine endgültige Entscheidung der deutschen Regierung über die Auslieferung Binalshibs steht noch aus. Federführend ist in dieser Frage Justizministerin Herta Däubler-Gmelin. Vermutlich wird die Regierung zunächst mit den USA und Pakistan eine Lösung aushandeln und dann erst formell erklären, ob sie Binalshibh wirklich haben will. Möglicherweise hat auch Pakistan wegen der dortigen instabilen Lage eigene Interessen. Es könnte dem islamischen Staat lieber sein, wenn Binalshibh zunächst nach Deutschland kommt, wo ihm nicht die Todesstrafe droht.CHRISTIAN RATH