Mit Hilfe durch den Alptraum

Die Nachfrage nach einer ZeugInnenbetreuung vor Gericht steigt. Auch Jasmin H. hätte ohne Unterstützung den Prozess gegen ihren Vergewaltiger nicht durchgestanden. Doch der Rechtssenat hat die Mittel für den Opferschutz gerade drastisch gekürzt

Vor Gericht sollte Jasmin H. mit dem Täter am selben Tisch sitzen

Von Elke Spanner

Der Rechtssenat ist mit dem Versprechen angetreten, den Schutz der Opfer von Gewalttaten stärken zu wollen. Anstatt dass den Worten aber Taten folgen, war in der vorigen Woche bekannt geworden, dass die Mittel für Opferschutz sogar drastisch reduziert werden: Beschlagnahmte Verbrechensgewinne sollen künftig nicht mehr für Opferhilfe eingesetzt werden, sondern als Einnahmen in den Haushalt fließen. Dabei wies Kai Nitschke, Sprecher der Justizbehörde, gestern bei der Einweihung des ZeugInnenschutzzimmers im Amtsgericht Barmbek darauf hin, dass sich immer mehr Gewaltopfer an den ZeugInnenbetreuungsdienst wenden.

Das bestätigt auch dessen Mitarbeiterin Gerda Rose-Guddusch. Voriges Jahr seien rund 1200 ZeugInnen in Hamburg betreut worden, und „die Zahlen nehmen zu“. Ins ZeugInnenschutzprogramm werden vor allem Frauen und Kinder aufgenommen, die Gewalt erleben mussten. Sie werden während des Prozesses gegen den Täter unterstützt. Denn für viele ist die Tortur mit der Tat selbst nicht vorbei. Der Angst vor der Gewalt folgt die Angst vor der erneuten Begegnung mit dem Täter, vor dem Auftreten vor Gericht und davor, beim Täter durch die eigene Aussage womöglich Rachepläne zu schüren.

Jasmin H. musste einen Trick anwenden, um überhaupt als Verbrechensopfer Gehör zu finden. Sie war vor zwei Jahren von einem Mann verschleppt und vergewaltigt worden. Bei der Polizei aber, sagt die 30-Jährige, kümmerte man sich kaum um sie, rief nicht einmal einen Arzt. Anschließend wurde sie weiterhin über Wochen von ihrem Peiniger bedroht, schließlich ein zweites Mal vergewaltigt. Verzweifelt behauptete sie dieses Mal auf der Wache, von dem Täter als Drogenkurierin benutzt worden zu sein. Erst da interessierte sich die Kriminalpolizei für sie, erst da erfuhr sie von der Opferschutzorganisation „Weißer Ring“, vom Kinderschutzzentrum und vom ZeugInnenschutzprogramm bei Gericht.

ZeugInnenbetreuerin Rose-Guddusch hat es Jasmin H. ermöglicht, überhaupt gegen ihren Peiniger auszusagen. Die hat den Prozess zwar dennoch als Alptraum empfunden. Aber wenn sie zur Verhandlung in einen Ort außerhalb Hamburgs fahren musste, stieg zumindest die Betreuerin jedes Mal mit in den Zug. Als Jasmin H. am gleichen Tisch Platz nehmen sollte wie der Täter – „ich hätte die gleiche Luft einatmen müssen wie dieser Mensch“ – organisierte die Sozialarbeiterin eine andere Sitzordnung. Sie setzte auch durch, dass ein Gutachter, der die Glaubwürdigkeit von Jasmin H. beurteilen sollte, zu ihr nach Hause in die Wohnung kam. Jasmin H. hatte Angst, allein mit dem Zug fahren zu müssen.

Dass die Nachfrage nach dem ZeugInnenprogramm zugenommen hat, liegt auch daran, dass es immer bekannter wird. Doch nichtalle Opfer erfahren davon. Da sich das Programm zielgruppenorientiert vor allem an Frauen und Kinder wendet, ist nicht jeder ZeugInnenladung ein Hinweis darauf beigefügt. Ob das entsprechende Merkblatt beigelegt wird, hängt von der Einschätzung der Richter und deren Geschäftsstelle im Einzelfall ab. Es liegen zwar Hinweise auf den ZeugInnenschutz auf den Revieren der Polizei. Doch wer soeben Opfer von Gewalt geworden ist, so Rose-Guddusch, „liest nicht erstmal ein Merkblatt durch“. Jasmin H. sagt, dass sie ohne diese Hilfe den Prozess nicht hätte durchstehen können. „Es ist nicht leicht, eine Zeugin zu sein.“