geläufig Shakespeare dauert 90 Minuten

„Ein Spiel dauert 90 Minuten!“ Dieser Spruch geht auf Sepp Herberger zurück, und er meinte ja eigentlich Fußball, aber auch ein Theaterstück dauert manchmal so lange. 90 Minuten: das ist das, was der Jetztmensch an durchgängiger Konzentrationsleistung so eben noch schaffen kann. „Durch die Befeuerung mit rasanter Fernsehwerbung, durch die Time-Schedules im Office oder durch Freizeitstress ausgepowert, habe ich einfach nicht mehr die Kraft mir abends noch Kultur reinzuziehen.“ So weit die traurige Aussage einer Bekannten, der hiermit der heutige Tipp explizit nicht empfohlen sei. Allen anderen aber gilt mein Rat: Hingehen! Premiere hatte das Stück „Shakespeares gesammelte Werke in neunzig Minuten“ zwar schon 1997, doch seitdem ist es so, dass das Publikum in der Vagantenbühne immer wieder begeistert reagiert. Wenn man Shakespeares sämtliche Werke in diesen Zeitraum packt, dann ist natürlich alles voll von aberwitzigem Pulp, mit Sex, Drugs, Rock ’n’ Roll, Vatermord, Blutrache, Hexen, wahnsinnigen Königen und Königinnen, zänkischen Damen und Herren, Intrigen, Machtgier, Romantik, Schicksalsschlägen, Schlägereien, Besäufnissen, Missverständnissen, tödlichen Missverständnissen etc. pp. Shakespeare hat zwar wirklich eine Sprache gepflegt, die einiges an Konzentration erfordert, doch stets auch Stücke geschrieben, die unterhalten. Und somit ist dieses Experiment leider nichts für oben erwähnte Bekannte. Aber eben für alle, die sich dem Shakespeare-Dauerfeuer aussetzen wollen und das auch genießen können. LAB

Vagantenbühne, 20 Uhr