„Wowereit verkörpert Oberflächlichkeit“

Günter Rexrodt (FDP) kritisiert den Regierenden Bürgermeister. Mit Forschheit und Schärfe versuche dieser Schwächen zu überspielen

taz: Ihren Abgang aus dem Abgeordnetenhaus, sagte Klaus Wowereit im taz-Interview, könne er kaum beschreiben, ohne einen Terminus aus dem Strafrecht zu verwenden. Das hat Sie wütend gemacht.

Günter Rexrodt: Das ist unehrlich. Unehrlichkeit muss man bei diesem Regierenden Bürgermeister leider sehr häufig feststellen. Es fehlt an grundsätzlicher Ehrlichkeit, die Probleme dieser Stadt beim Namen zu nennen und daraus die notwendigen Schlüsse zu ziehen. Nach wie vor behandelt Wowereit die schweren Probleme in sehr flockiger und oberflächlicher Form. Rot-Rot wurstelt wie die große Koalition einfach weiter. Das hatte Herr Wowereit vor der Wahl ganz anders versprochen.

Sie kritisieren Wowereit nicht nur politisch, sondern auch persönlich?

Wowereit verkörpert Oberflächlichkeit und Leichtgewichtigkeit. Bei ihm sind diese Untugenden in einem Maße ausgeprägt, wie ich das bei anderen Politikern so nicht erlebt habe. Diese Lockerheit mag in Zeiten der Hochkonjunktur und des Aufschwungs vielleicht angemessen sein. Aber in einer Stadt, die um ihre Zukunft kämpft, ist das zu wenig – sehr viel zu wenig.

Was meinen Sie konkret mit Oberflächlichkeit und Leichtgewichtigkeit?

Das erlebt man andauernd. Wowereit regiert jetzt über ein Jahr und jede seiner Handlungen ist von einem hohen Maß an Oberflächlichkeit gekennzeichnet. Das beginnt schon bei der Begrüßung von Gästen und geht bis ins schwierige Regierungsgeschäft. Von Wowereit ist mir überhaupt nur eine einzige gute Rede mit Tiefgang in Erinnerung. Die hielt er am Anfang seiner Amtszeit zum Jahrestag des Mauerbaus.

Wowereit kritisierte Sie, weil sie Spitzenkandidat waren, dann aber schnell das Abgeordnetenhaus verließen.

Ich wollte doch Landespolitik machen! Aber die Ampel kam nicht zustande, weil Herr Wowereit reine Alibiverhandlungen geführt hat, aber immer Rot-Rot wollte. Hätte ich die Führung der liberalen Fraktion im Abgeordnetenhaus behalten, hätten mich meine jüngeren Kollegen und viele Bürger gefragt: Warum setzt du dich da drauf? Gib doch in Berlin endlich jungen Leuten eine Möglichkeit, sich zu entwickeln.

Cornelia Pieper war sich als Spitzenkandidatin der FDP in Sachsen-Anhalt sogar für den Posten der stellvertretenden Ministerpräsidentin zu schade.

Die Situation in Sachsen-Anhalt war ganz anders als in Berlin. Diese Entscheidung hat Cornelia Pieper getroffen. Das kommentiere ich nicht.

Wowereit nannte Ihren Abgang in einem Atemzug mit der Demission Gregor Gysis. Sind die Vorgänge vergleichbar?

Völliger Quatsch. Wowereit versucht seine rot-rote Koalition zu rechtfertigen und den schäbigen Abgang von Gysi zu relativieren. Gysi hat erst Regierungsgewalt und Verantwortung übernommen und ist dann unter einem fadenscheinigen Vorwand gegangen, weil ihm die Sache keinen Spaß mehr machte.

Der Ton in Berlin scheint schärfer zu werden.

Ja. Wowereit merkt jetzt, dass es ihm nicht gelingt das Ruder in der Stadt herumzureißen. Der einzige, der in Erscheinung tritt, ist Finanzsenator Sarrazin, alle anderen Senatoren sind farblos. Wowereit hat lange versucht, das Ganze mit lockeren Sprüchen zu überdecken. Das klappt nun nicht mehr, da steigt er auf Forschheit und Schärfe um. Aber auch damit wird er die Schwächen nicht lange überdecken. INTERVIEW: ROBIN ALEXANDER