Schill von „Schill“ und seine Freunde

Ronald Barnabas Schill, Vorsitzender der „Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Schill“ spricht an der Gedächtniskirche zum Wahlvolk. Der Hamburger Innensenator zeigt sich sicher, mit seiner Partei bei den Wahlen über fünf Prozent zu kommen

von PHILIPP GESSLER

Worum es bei der „Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Schill“ geht, wird deutlich, noch ehe der Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg, Ronald Barnabas Schill, das Wort ergreift. Rund zwölf grünweiße Polizeiwannen bekränzen den Breitscheidplatz an der Gedächtniskirche. Um eine kleine Bühne auf einem Laster hat die Polizei Absperrgitter aufgestellt. Darin stehen Polizisten mit meist grimmigem Gesicht, den Rücken zur Rednertribüne, ihre Schilde ruhen auf dem Boden. Auf dem Dach des modernen Gemeindezentrums unter dem zerstörten Turm der Kirche filmen zwei Beamte mit einer Videokamera die Szenerie. Alles ist friedlich.

Ein paar „Schill“-Parteimitglieder, meist bieder angezogene Männer mittleren Alters, die an ihrem „Ordner“-Armbändern zu erkennen sind, stehen im abgesperrten Bereich. „Sie können auch reinkommen, wenn Sie wollen“, sagt ein Polizist zu einem Rentner, der zögernd vor der Absperrung steht. Jede Person, die in den Raum direkt vor der Bühne will, muss sich abtasten, die Tasche durchsuchen lassen. Vielleicht stehen deshalb geschätzte 200 Leute vor der Absperrung, doch nur rund 50 Leute vor der Bühne. Leicht soulige Musik wird gespielt, schwere Bässe dröhnen über den Platz.

Ein „Ordner“ ist mit älteren Herrschaften vor der Absperrung ins Gespräch gekommen. Er spricht von den Kosten für Plakate – über Spenden finanziert. „Ein bisschen Idealismus muss schon sein, sonst wird das alles nichts.“ Er mache das alles „für meine Kinder“, sagt der „Ordner“. „Wir sind alles Laien.“

Jetzt redet jemand. Es ist der Berliner Spitzenkandidat Lothar Staeck, ein Professor, Schwerpunkt Bildungspolitik: „Schüler und Lehrer gehen zunehmend lustlos in die Schule“, ist von ihm zu erfahren. Es gebe eine „Schulverdrossenheit“. Doch die Partei sei „getragen von Aufbruchstimmung“. Der zweite Spitzenkandidat, Christian Eigler, erinnert mit leicht zittriger Stimme an die Forderung des Altbundespräsidenten Roman Herzog, dass ein „Ruck“ durch das Land gehen müsse. „Aber kein Rechtsruck, du Arschloch“, ruft jemand vor der Absperrung. „Wir sind die einzigste Wahlalternative für Sie“, ruft die Nummer zwei der Landesliste.

Ronald Barnabas Schill ist gekommen und geht ans Mikrofon. Sofort schrillen Trillerpfeifen. Ein paar Autonome sind vor die Bühne gelangt, schreien: „Hau ab, hau ab, hau ab.“ Schill begrüßt die „Freunde in Berlin“. „Du hast keine Freunde hier“, ruft jemand. Der Senator hat – anders als im Bundestag – unbegrenzte Redezeit. Er nutzt sie, um vor einer „Einwanderung in die Sozialkassen“ zu warnen. Seine Partei „ist eine ausländerfreundliche Partei und bleibt eine ausländerfreundliche Partei“. Er verweist darauf, dass im Vorstand von „Schill“ ein „Schwarzafrikaner, ein Ghanaer“, sei, der sage, er habe ein „gutes Verhältnis zu meinen deutschen Mitbürgern“.

Vor der Bühne gibt es ein wenig Gerangel zwischen „Ordnern“ und Autonomen. Ein „Ordner“ versucht zu verhindern, dass ein Fotograf die Szene fotografiert. Hochgewachsene Polizisten beruhigen die Lage. „Ich bin sicher, wir kommen über 5 Prozent“, verkündet Schill. Umfrageergebnisse, die „Schill“ bei 2 Prozent sehen, seien verfälscht: „Damit wird gezielt Politik gegen uns gemacht.“

Dann ist seine Rede zu Ende. Ein paar klatschen, die Buhrufe sind lauter. Schill kehrt noch mal ans Mikro zurück: „Mit Ihnen schaffen wir’s“, versichert er. Der Senator reckt seine Daumen nach oben. Die Veranstaltung ist beendet, doch Schill verteilt an der Absperrung noch ein paar Autogrammkarten an Getreue. Als er zu seiner Limousine mit Hamburger Kennzeichen und Blaulicht geht, wird er kurz vor seinem Auto ausgebuht. Schill, der Parteivorsitzende von „Schill“, lächelt und winkt den Buhrufern zu. „Faschistenschwein“, ruft ihm jemand hinterher. Dann rauscht die Limousine davon. So endet der Auftakt zum „vierten und letzten Teil der deutschlandweiten Wahlkampftour“ des Hamburger Innensenators, wie „Schill“ kundtut. Politik kann echt langweilig sein.