Ein Schwergewicht setzt sich durch

Der schwedische Regierungschef und Sozialdemokrat Göran Persson qualifiziert sich für eine weitere Amtszeit

Nun muss er nicht auf Gebrauchtwagen umsatteln. Autohändler sei wohl ein passender Job für Göran Persson, wenn er nicht Berufspolitiker geworden wäre, meinte eine Mehrheit der SchwedInnen neulich bei einer Umfrage. Als Lebensretter war er seiner Partei vor vier Jahren ganz bestimmt nicht erschienen, als er den Sozialdemokraten zu einem ihrer schlechtesten Wahlergebnisse verhalf. Doch mittlerweile sind sie heilfroh, ihn zu haben. 89 Prozent können sich keinen besseren Landesvater denken. Eine erstaunliche Wandlung für eine Reservelösung auf dem Posten des Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden, nachdem die eigentliche erste Wahl der Partei, Mona Sahlin, vor sechs Jahren wegen ungeschickten Umgangs mit der eigenen Haushaltskasse ausgefallen war.

Als gefühllosen Tölpel stellten ihn die Medien damals dar. Er, der sich wohlweislich nie nach dem obersten Amt gedrängt hatte und gerne Finanzminister geblieben wäre, kann das verstehen. „Ich war unsicher, ängstlich, von allen Seiten bedrängt und da macht man so Sachen. Da liegt man daneben, was die eigene Urteilskraft angeht und schätzt seine Stärke falsch ein.“ Doch irgendwann hatte er sich in die neue Rolle eingefunden. Jetzt scheint das Ministerpräsidentenamt für ihn maßgeschneidert zu sein. „Was soll ich sonst machen?“, pflegt der 53-Jährige dann zu sagen, „ein Übergewichtiger, der täglich 14 Stunden arbeitet – bei dem Risiko bietet mir kein Unternehmen mehr eine Pensionsversicherung an.“

Der Arbeitersohn stammt aus einfachen Verhältnissen. Als 15-Jähriger engagierte er sich bei den Jungsozialisten, wurde Kommunalpolitiker, und mit 30 zog er erstmals ins Parlament ein. Außer als Finanzminister gehörte er einer von Ingvar Carlsson geführten Regierung als Schulminister an. International bekannt wurde er vor allem durch sein Engagement gegen Rassismus und Neonazismus.

Der 1949 geborene Ministerpräsident gehört zu der Generation, die erst in den Achtziger- und Neunzigerjahren aus dem Traum erwachte, Schweden habe in Europas dunklen Jahrzehnten eine moralische Ausnahmerolle gespielt. Die braune Vergangenheit gab es auch hier – Stichwort: Zwangssterilisierung, Diskriminierung der Sinti und der Roma. Diese wurde nach und nach aus der Verdrängung nach oben gespült, gleichzeitig rückte Schweden Mitte der 90er-Jahre an die Spitze der Länder mit den meisten rassistisch motivierten Gewalttaten. Da war Persson gerade frisch im Amt. Man darf ihm abnehmen, wenn er beteuert, „Rassismus ist das Schlimmste, das mir politisch begegnet ist“.

Mit einem Kraftakt, der mit der Initiative zu internationalen Holocaust-Konferenzen begann und mit Informationskampagnen in jedem Schulzimmer endete, mit Unterstützung von Medien wie politischen Parteien und null Toleranz bei Polizei und Justiz präsentiert sich Schweden als ein Land, das absolut nicht frei von rassistischem und ausländerfeindlichem Gedankengut ist. Diese Haltung ist aber gesellschaftlich so inakzeptabel geworden, dass kurz vor der Wahl ein Dutzend Kommunalpolitiker gehen musste, die einem als Ausländerfeind auftretenden Journalisten zustimmend auf den Leim gegangen waren. Neben seinem Job als erfolgreicher Budgetsanierer ist es dieser Klimawechsel, an dem Persson vor allem gemessen werden möchte.

REINHARD WOLFF