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: Flat sharing mit Käseklau: In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine

Mein Wesen und ich

Potzblitz! In meiner Single-Wohnung haust ein zweites, unsichtbares Wesen: Gestern habe ich die Immer-die-richtige-Temperatur-Käseglocke aus diesem Reiche-Ökos-Versand wie zufällig auf dem Küchentisch stehen lassen. Prompt lag vom Inntaler am nächsten Tag nur noch die duftende Plastikfolie da. Genauso beim Bier: gestern Abend sieben Flaschen Pilsener Urquell, heute drei. Und ICH habe keinen Kater.

Das Schlimmste: Das Wesen verlegt ständig mein Handy, so dass ich mich vom Festnetztelefon anrufen muss, um es wiederzufinden. Habe mir schon meine eigene Handynummer auf Speicherplatz Nummer fünf am Festnetzapparat gespeichert, fühle mich sehr schizophren. (Immerhin habe ich noch nicht selbst abgenommen.)

Auch meine Lieblingssandalen liegen andauernd an Stellen meiner Wohnung, die ich noch nie betreten habe. Was mich in Sachen Identifikation weiterbringt: das Wesen hat genauso große Füße wie ich (obwohl mir in diesem Sommer aufgefallen ist, dass viele Frauen nicht wirklich die Jedermannsgröße 38/39, sondern eigentlich viel größere Schläppchen bräuchten, aus Eitelkeit jedoch ihre 40/41er-Pfoten in kleine Schuhe drücken, so dass die Hacke unschön hinten herausguckt, ruckeldiguu). Da ich eher der analytische Typ bin, der noch nie Übersinnliches erlebt hat, bin ich bereit, auf logische Lösungen zurückzugreifen. Erste Möglichkeit: Ich bin das selber. Eine Freundin hat mal geschworen, sie stände im Schlaf auf und äße Schokolade, vor allem bei Diäten. Morgens liege sie dann auf zerknülltem Alupapier, die geputzten Zähne zuckerverschmiert. Stelle mir also einen Eimer mit kaltem Wasser ans Bett, das macht man doch wohl so mit Schlafwandlern, und lege mich gespannt schlafen. Am nächsten Morgen scheint der Eimer unberührt, aber irgendjemand hat im Wohnzimmer eine Zigarette geraucht! Wo ich doch Asthmatikerin bin!

Dagegen spricht auch, dass das Wesen mich schon eine Weile heimzusuchen scheint: habe neulich in einer selten getragenen Jacke einen Einkaufszettel in meiner Schrift gefunden, auf dem stand Milch, Wasser, Bier, das verstehe ich ja noch, aber dann: fünf Schrippen (hell) und BZ. Schrippen (hell) und BZ! Noch nie in meinem Leben habe ich „Schrippen“ geschrieben oder gesagt, und schon gar nicht mit dem Zusatz hell, ich komme aus Norddeutschland und weiß schmerzhaft genau, dass die Berliner Brötchen aus Luft, Mehl und Spucke bestehen, und außerdem erinnern mich Schrippen immer an die alten Sesamstraßen-Spots, in denen kleine, freche Mädchen von der doofen Bäckereiangestellten nicht bedient werden und sich darum heimlich selber die Schrippen hinter der Theke wegnehmen. Aber ich doch nicht, ich würde höchstens ein Baguette kaufen, oder auch mal Schusterjungs, oder Laugenbrezel. Aber doch nie und nimmer fünf Schrippen (hell)! Und was sollte ich mit der BZ? Ich fasse nicht mal eine BZ an, wenn sie in der U-Bahn neben mir liegt und der Zug beim Weg nach Rathaus Steglitz einen Triebwerksschaden hat und eine Stunde im U-Bahn-Tunnel stehen bleibt. Eher lese ich zum tausendsten Mal die bekloppte „Regale“-Werbung durch, kaufe eine Motz oder rede mit amerikanischen Touristen.

Also bleibt nur die andere Möglichkeit: Jemand mit meiner Schrift, meiner Statur, meinen Füßen und einem beschissenen Zeitungsgeschmack wohnt heimlich bei mir. Werde es zunächst mal auf die freundliche versuchen, einen Untermietsvertrag auf dem Schreibtisch liegen lassen. Aber wenn das nicht hilft, mach ich kurzen Prozess. JENNI ZYLKA