FDP: Krach vor Wahl

FDP-Parteivize Jürgen Möllemann nach umstrittenem Flugblatt in der eigenen Partei isoliert. Westerwelle lehnt gemeinsame Auftritte ab

BERLIN dpa/ap/taz ■ Auch gestern diskutierte die FDP kontrovers über die eigenartige Wahlwerbung ihres Vizes Jürgen W. Möllemann. Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum sagte: „Möllemann ist getrieben von seinen persönlichen Obsessionen gegen Israel.“ Der liberale Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen hatte an alle Haushalte ein Flugblatt verteilen lassen, in dem es unter anderem hieß, Michel Friedman, Vizechef des Zentralrats der Juden, würde ihn als „antisemitisch abstempeln“, weil Möllemann die Siedlungspolitik Israels kritisiere. Ferner verurteilte das Blatt die Politik von Israels Premier Ariel Scharon.

FDP-Bundesvorstandsmitglied Burkhard Hirsch nannte dies gestern „unverantwortlich“ und forderte, Möllemann müsse Rede und Antwort stehen – allerdings erst am nächsten Montag, wenn sich das Gremium turnusmäßig trifft und die Bundestagswahl vorbei ist. Der liberale Fraktionschef in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, nahm Möllemann hingegen in Schutz: „Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, dass wir hier einen riesengroßen Streit hätten.“

Parteichef Guido Westerwelle wird nach Absprache mit den beiden FDP-Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff nicht mehr gemeinsam mit Partei-Vize Jürgen Möllemann im Wahlkampf auftreten. Dies geht aus einer Erklärung Genschers vom Donnerstag in Bonn hervor. Allerdings erklärte Möllemann dazu, davon sei ihm nichts bekannt. Er erwartete eine gemeinsame Veranstaltung für den gestrigen Abend.

Die Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, warnte gestern: Westerwelle müsse „nun aufpassen, dass die FDP durch die Wahlen nicht zu einem Sammelsurium einer braunen Clique wird“.

Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) forderte die FDP auf, sich von ihrem Parteivize zu trennen. Er nannte die Faltblattaktion „ekelhaft“. Bisher hätte nur rechtradikale Splittergruppen versucht, mit Antisemitismus Stimmen zu fangen. Jürgen W. Möllemann wundert sich über die heftige Kritik: Sein Flugblatt sei „in der inhaltlichen Ausrichtung identisch mit dem FDP-Wahlprogramm“.

ULRIKE HERRMANN

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