: Bloody Entertainment
Christoph Winkler zeigt ein Tanzstück über den verstümmelten Körper
Das Stück schwappt über vor Blut und Brutalität. Shakespeares Tragödie „Titus Andronicus“ war den Zeitgenossen des Dichters ein bloody entertainment. Der Choreograf Christoph Winkler hat sich des sperrigen Stückes um den römischen Feldherrn angenommen, und es auf sein Thema, den versehrten Körper, reduziert. In „Fatal Attractions“ verknappt er den Text des Shakespeare’schen Originals auf das Maß eines schnörkellosen Tanztheaters. Dem Ensemble gelingt es, von Zerstückelung und Amputationslust zu erzählen, verbal und in einer exzessiv-vorantreibenden Bewegungssprache. Einzelparts lösen sich in Gruppenbilder auf, Releasetechniken wechseln mit schwierigen Schrittkombinationen. Der schauerliche Monolog Lavinias, der Tochter des Titus, der nach einer Vergewaltigung die Zunge herausgeschnitten und die Hände abgehackt werden, kontrastiert mit Erzählungen von Menschen, die sich Beine oder Arme amputieren lassen möchten, um sich zu „spüren“. Apotemnophilia nennt man diese psychische Störung. Winkler bewertet dies nicht, er zeigt es in einem ästhetisch geschützten Rahmen. Doch die Bedrohlichkeit der Vernichtung ist präsent. JSI
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