zahl der woche
: Afghanistans verwüstete Umwelt

UN-Experten untersuchen Kriegsschäden

Auch wenn die heiße Phase des Krieges in Afghanistan vorüber ist, gibt es keinen Frieden mit der Natur. 23 Jahre bewaffnete Konflikte, die Willkürherrschaft der Taliban und der Feldzug der USA haben aus dem Land, das einst für funktionierende Ökosysteme in Wüsten, Steppen und Bergen berühmt war, eine lebensfeindliche Einöde gemacht. Wie es um den Zustand der Umwelt in Afghanistan wirklich bestellt ist und wie Abhilfe geschaffen werden kann, untersuchen seit einigen Tagen 20 Wissenschaftler im Auftrag des UN-Umweltprogramms Unep.

Wälder bedecken nur noch knapp 2 Prozent der Landfläche. 15 Prozent gelten als nötig, um Erosion zu vermeiden und die Luft zu reinigen. „Die Umwelt des Landes ist durch militärische Konflikte, Flüchtlingsströme, die Übernutzung der natürlichen Ressourcen und fehlendes Management schwer geschädigt“, sagt der Chef der Unep-Task-Force für Afghanistan, Pekka Haavisto. Seine Truppe soll die Basisdaten sammeln und Vorschläge zur Verbesserung der Situation machen. Ein abschließender Bericht wird für Dezember erwartet.

Neben den Kriegszerstörungen gilt die Luftverschmutzung in den Städten als Riesenproblem. Nach einem Bericht der US-Zeitschrift Mother Jones hängt über Kabul eine Smogdecke wie in Mexiko-Stadt. Gepanschtes Benzin und völlig überalterte Motoren führen zu schwarzen Abgaswolken in den Straßen. Da die Kraftwerke und Stromleitungen zerstört sind, heizen und kochen die Menschen mit dem knappen Holz. Zerstörte Panzer und verlassene Militärstellungen belasten die Böden mit auslaufendem Öl und verstreuter Munition. Zurückkehrende Flüchtlinge ziehen vor allem in die Städte und meiden das Land: Das Fehlen von Arbeitskräften auf den Feldern wiederum, fürchten Wissenschaftler, könnte bald dazu führen, dass immer weniger Nahrungsmittel produziert werden. Die verbliebenen Felder verlieren durch Erosion wertvollen Humus.

Die Tierwelt des Landes ist ebenfalls schwer in Mitleidenschaft gezogen. Der Kaspische Tiger gilt als verschwunden, Biologen hoffen auf einzelne Gruppen von Bären, Marco-Polo-Schafen, seltenen Vögeln und Schneeleoparden. Besonders Raubtiere sind in der Vergangenheit massiv wegen ihres Fleischs und vor allem ihrer Pelze gejagt worden. Umweltschützern bleibt nun noch eine makabre Hoffnung: dass die etwa 10 Millionen Landminen Wilderer und Holzfäller wenigstens von einigen Gebieten fern halten. BERNHARD PÖTTER