Zur Schule statt auf den Strich

Weltkindertag: Fairer Handel kann Kinder vor Prostitution schützen. Reisebranche ignoriert Selbstverpflichtung

BERLIN taz ■ Ein bis zwei Millionen Mädchen und Jungen werden weltweit zur Prostitution gezwungen, schätzen Menschenrechtsgruppen. „Die meisten und am besten zahlenden Pädophilen kommen aus Europa, Australien, Nordamerika und Japan“, schreibt die philippinische Entwicklungsorganisation Preda. Anlässlich des gestrigen Weltkindertags enthüllte Bundestagspräsident Thierse in Berlin ein Denkmal gegen Kinderprostitution und Sextourismus.

Die Reiseindustrie versucht das Thema hingegen weiter zu tabuisieren. Zwar hatte der Deutsche Reisebüro- und Reiseveranstalterverband (DRV) im Januar 2001 einen Verhaltenskodex zum Schutz der Kinder vereinbart und zugesagt, alle Kunden durch ein Flugblatt zu sensibilisieren. „Wichtig ist, dass die Mitreisenden den Missbrauch nicht ignorieren und gegebenenfalls Anzeige erstatten“, sagt Heinz Fuchs von Tourismwatch vom evangelischen Entwicklungsdienst (www.tourism-watch.de). Oft könne nur so die seit einigen Jahren mögliche Strafverfolgung der Täter nach ihrer Rückkehr eingeleitet werden.

Doch tatsächlich bekommt fast niemand, der eine Reise bucht, das Informationsblatt ausgehändigt. Und auch in den Katalogen fehlt das Thema fast vollständig, hat Tourismwatch festgestellt. Die Selbstverpflichtung, in Verträgen mit Hotels auf Maßnahmen zum Schutz der Kinder hinzuwirken, wird ebenfalls weitgehend ignoriert. Dabei gibt es Hotels, die durchaus dazu bereit sind. Die Kette Accor beispielsweise trainiert ihre Mitarbeiter darauf, bei Hinweisen auf Kinderprostitution nicht wegzuschauen, sondern entschlossen zu agieren.

Doch ohne wirtschaftliche Alternativen für die meist aus armen Landfamilien stammenden Kinder ist der Prostitution nicht beizukommen, hat der Priester Shay Cullen von Preda erkannt. Er leitet auf den Philippinen ein Therapiezentrum für misshandelte Mädchen und Jungen. Deshalb unterstützt seine Organisation Bauern dabei, ihre Mangos besser zu vermarkten. Hatten auf den Philippinen früher zwei Clans den gesamten Handel mit den Früchten in der Hand und zahlten extrem niedrige Preise, so können die Produzenten nun direkt an eine Fabrik liefern, wo die Mangos getrocknet werden. Der Verkaufserlös pro Frucht ist um etwa 40 Prozent gestiegen. Mit diesem Niveau können die Bauern auch langfristig kalkulieren, weil es Preda gelungen ist, Abnehmer aus dem „fairen“ Handel zu finden. Die deutsche Importfirma Dritte-Welt Partner (www.dwp-rv.de) kauft 25 Tonnen getrocknete Mangos und fünf Tonnen andere Früchte von den Philippinen, was 180 Tonnen Frischobst entspricht. Zu erwerben gibt es die leckeren Stückchen in den knapp 800 Weltläden oder bei vielen Naturkostshops. Die internationale Vereinigung für den fairen Handel, Ifat, garantiert den Konsumenten, dass der Mehrpreis tatsächlich den Produzenten zugute kommt. Die können nun langfristiger kalkulieren und ihre Kinder zur Schule statt auf den Strich schicken. ANNETTE JENSEN