Griechische Pein

Werders Neuzugang Angelos Charisteas besiegt Bayer Leverkusen beinahe im Alleingang, während die übrigen Bremer Spieler meist schläfrig über den Rasen schleichen

„Alles hat sich gegen uns verschworen, jetzt ist erst mal Tal der Tränen angesagt.“

Sehen so Sieger aus? Wer den Spielern von Werder Bremen ins Gesicht sah, als sie am Samstag nach neunzig Minuten den Rasen des Weserstadions verließen, wusste nicht so recht, ob sie nun gewonnen oder verloren hatten. Jungnationalspieler Tim Borowski etwa eilte – das Gesicht zur Faust geballt – in die Kabine. Ja gut, er hatte schlecht gespielt. Sein Kollege Paul Stalteri suchte ebenfalls rasch das Weite. Ja gut, er hatte ein Eigentor geschossen. Doch auch die anderen Werderaner zeigten nicht gerade überbordenden Enthusiasmus angesichts ihres 3:2-Erfolgs über Bayer Leverkusen zur Schau. Einzig Torhüter Pascal Borel strahlte jungenhaft in die Kameras von Premiere: Zu Recht, denn er hatte seinem Team – mit tollen Paraden vor allem in der Schlussphase – die drei Punkte gerettet.

Und eigentlich läuft ja auch alles hervorragend bei Werder: Mit dem dritten Sieg im dritten Heimspiel der Saison hat sich der Verein klammheimlich auf den dritten Tabellenplatz vorgeschlichen und damit das Bayern-München-Prinzip nachgeahmt: oft durchwachsen spielen, aber letzten Endes erfolgreich sein.

Für Bayer Leverkusen dagegen fiel die Niederlage besonders unglücklich aus, denn sie waren, vor allem in der zweiten Halbzeit, das agilere und fittere Team. Es sind derzeit immer wieder Griechen, die Calmunds Combo Pein bereiten: Erst letzten Mittwoch die 2:6-Packung bei Olympiakos Piräus in der Champions League, und jetzt war es ausgerechnet Werders griechischer Stürmer Angelos Charisteas, der den Vizemeister mit zwei herrlichen Toren fast im Alleingang bezwang.

„Die Mannschaft wird marschieren bis zum Umfallen“, hatte Werder-Trainer Thomas Schaaf martialisch angekündigt. Doch seine Spieler, die erst am Freitagmorgen vom UEFA-Cup-Hinspiel im ukrainischen Donezk zurückgekommen waren, schlichen zu Beginn der Partie ziemlich schläfrig über den Rasen. Leverkusen startete dagegen druckvoll, vor allem dank der beiden gefährlichen Stürmer Oliver Neuville und Thomas Brdaric, der Bayer mit einem schönen Fallrückzieher in Führung brachte. Doch schon nach einer knappen halben Stunde hatte Leverkusen genug von der Offensive – und alles verlief so wie in den vergangenen Spielen: Stets war die Mannschaft mit einem Tor in Führung gelegen, stets ging sie am Ende als Verlierer vom Platz. Binnen sechs Minuten – Manager Reiner Calmund sprach später von „Knock-out-Minunten“ – lag Bayer am Boden.

Zuerst foulte Lucio seinen Landsmann Ailton vor dem Strafraum: Der Schiedsrichter schenkte Bremen dennoch einen Elfmeter, den der Brasilianer selbst verwandelte. Dann kam die Zeit des 22-jährigen Griechen Angelos Charisteas, den Werder erst zu Saisonbeginn von Aris Saloniki verpflichtet hat: Mit zwei satten, sehenswerten Distanzschüssen brachte er Werder 3:1 in Führung. Ein Eigentor von Paul Stalteri kurz vor der Pause brachte bereits den 3:2-Endstand.

In der zweiten Halbzeit nämlich lief bei beiden Teams nicht mehr viel zusammen. Einzig der Schiedsrichter, ein junger Bankkaufmann, sorgte für etwas Adrenalin im Stadion, als er – durchaus übereifrig – die sich rauhbeinig beharkenden Spieler Johan Micaud und Dimitar Berbatov vom Platz stellte.

Im Übrigen vergaben die ausgelaugten Werder-Spieler ihre Konterchancen kläglich, während Leverkusen an der Latte, am eigenen Unvermögen und an Borel scheiterte.

„Ich verspreche, dass meine Mannschaft marschieren wird bis zum Umfallen.“

Irgendwie zufrieden waren nach dem Spiel aber beide Trainer, Anzug-Träger Toppmöller ebenso wie Schaaf, der die Schwundstufe des Trainings-Anzugs bevorzugt. Der Werder-Trainer stellte wieder einmal unter Beweis, dass das Metaphern-Drechseln nicht zu seinen Stärken gehört: „In den ersten 25 Minuten „hatten wir wohl die Sessel noch dran ausm Flieger“, spielte er auf die anstrengende Dienstreise nach Donezk an. Ansonsten habe Werder „sensationell gespielt“ und sei „absolut ans Limit gegangen“. Bei so vielen lobesamen Worten wollten auch Toppi Toppmöller und Calli Calmund nicht nachstehen, die unisono vom besten Spiel Leverkusens in dieser Saison schwärmten. „Momentan hat sich alles gegen uns verschworen“, sagte Toppmöller und kommentierte die Niederlage bemerkenswert gelassen: „Jetzt ist mal ein bisschen Tal der Tränen angesagt, wir liegen mit dem Gesicht im Dreck. Wir müssen nur noch aufstehen.“

Markus Jox