Nach 18 Uhr
: Das große Hoffen und Bangen

Auf welcher Wahlparty man gestern am frühen Abend auch aufkreuzte: Jeder interpretierte die ersten Hochrechnungen für sich.

„Eine Stimme reicht. Das macht der.“ Mit dieser Bemerkung kommentierte Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) die erste Prognose des Wahlabends. Die Granden der Bremer SPD beguckten sich die ersten Ergebnisse im Presse-Club, bevor sie zu den Wahlparties ihrer Partei ausschwärmten. Ein Ergebnis machte den Landesvater richtig froh: „Wunderbar“ entfuhr es ihm zu den Zahlen, die zeigten, dass die Grünen vor der FDP landete. Bildungssenator Willi Lemke (SPD) dagegen fand eine Stimme „zu wenig“, seine erste spontane Reaktion: „Damit würde ich es nicht machen.“ SPD-Bundestagskandidat Volker Kröning erinnerte daran, dass die knappen Mehrheiten oft zu den „stabilsten Regierungen“ führen.

Ein paar Häuser weiter, im „Accademia“, gestern Abend grüne Hochburg, dröhnte Jubel auf die Straße. „Geil, gigantisch“, formulierte die Bremer Basis zu den ersten Ergebnissen der Grünen. Und: „Wenn wir die SPD retten, müssen wir Forderungen stellen.“ Helga Trüpel, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bremer Bürgerschaft fand, das sich abzeichnende Ergebnis sei „ein wichtiger psychologischer Erfolg“, mehr noch: eine „Trendwende.“

Bei der Bremer CDU stieg die Stimmung von Hochrechnung zu Hochrechnung. CDU-Landeschef und Bundestagskandidat Bernd Neumann sagte: „Wenn gegen uns nicht regiert werden könnte, wäre das das Schönste.“ Das Zweitschönste wäre, „wenn wir damit diesen parteiischen Bundestagspräsidenten endlich ablösen könnten.“ Und Neumann befand im Zuge der ersten Hochrechnungen und dem Abschneiden der SPD, dass man – ganz entgegen, was Stoiber mehrfach erklärt hatte – „im Falle eines Patts ernsthaft über eine große Koalition nachdenken müsse.“

Überall Gewinner? Nicht überall. Die Stimmung bei der Bremer FDP war gedämpft. „Sehr enttäuscht“ war das Fußvolk, „nicht zufrieden“ der Landesvorsitzende Claus Jäger, der „Masochismus“, mit dem die Partei den Konflikt um Möllemann ausgetragen habe, habe geschadet.

Schlechte Stimmung auch bei der PDS. Eine „ganz bittere Niederlage“ sei‘s, so Landesvorsitzender Klaus Rainer Rupp. Aber: „Klein beigeben werden wir nicht.“

K.W./jox/ube/sgi