Treueschwur für Handtuchhalter

Mit Patrik Kühnen als neuem Kapitän besiegt der Deutsche Tennis-Bund (DTB) nicht nur das zweitklassige Venezuela mit 5:0, sondern erhält von Thomas Haas und Rainer Schüttler auch das Bekenntnis, regelmäßig im Daviscup spielen zu wollen

aus Karlsruhe HARTMUT METZ

„Mich nervt das tierisch!“ Rainer Schüttler meinte nicht etwa die Grabenkämpfe seines Daviscup-Teamkollegen Thomas Haas, sondern dass „ständig von außen etwas hineininterpretiert wird“. Dabei lief doch am Wochenende beim Abstiegsspiel in Karlsruhe fast alles nach Wunsch. Die drittklassigen Tennisspieler aus Venezuela mussten schon nach den ersten drei Matches ihre Träume vom ersten Aufstieg in die Weltliga begraben, denn Schüttler deklassierte Jose de Armas, den 325. der Weltrangliste, dreimal 6:1, Haas gönnte Jimy Szymanski (Nr. 591) nur im zweiten Satz ein Spiel mehr und das Doppel Nicolas Kiefer/David Prinosil vertrieb gegen de Armas/Szymanski mit einem 6:1, 6:3, 6:0 schließlich den letzten Hauch von Zweifel. Bereits nach dem zweiten Tag in der Karlsruher Europahalle stand es somit 3:0 für Deutschland – die restlichen beiden Siege waren nur noch ein Fall für die Statistik.

Damit gelang Patrik Kühnen ein makelloser Einstand als Daviscup-Kapitän. „Ich animierte die Spieler, nicht nachzulassen“, umriss der bisherige B-Kadertrainer seine neue Aufgabe. Emsig reichte Kühnen seinen Schützlingen Handtücher wie Wasserflaschen, ansonsten saß er eher stumm da. Was sollte er auch zu den einseitigen Spielen, von denen keines länger als 98 Minuten dauerte, sagen? Als Haas während eines Ballwechsels auf den Boden purzelte und einen Flecken Schweiß auf dem Court hinterließ, bedeutete der 24-jährige Star sofort: Der muss weggewischt werden. Und siehe da: Patrick Kühnen eilte mit einem Handtuch herbei und entfernte das missliebige Nass. Ob das der vor zwei Wochen als Teamchef geschasste Michael Stich auch getan hätte?

Eher nicht, wie wohl auch Haas vermutet. „Ich war mit Michael Stich nur zweimal Abendessen. Patrik ist ein lässigerer Typ. Mit ihm kann man auch über andere Dinge reden, beispielsweise über Frauen“, referierte die Nummer zwei der Weltrangliste in Karlsruhe über Kühnens Vorzüge und ergänzte: „Ansonsten wüsste ich auch keinen mehr, der in seine Fußstapfen treten kann.“ Weil auch der Rest der Mannschaft für eine Verpflichtung des Notnagels votierte und Georg von Waldenfels, der Präsident des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) Kühnen für keinen hält, „der seine Eitelkeiten in den Vordergrund stellt“, zeichnet sich eine rasche Vertragsunterzeichnung ab. Von Waldenfels will lediglich die Zustimmung seiner Vorstandskollegen einholen, bezeichnet dies aber als „Formalie“. Selbst die leeren Kassen des Verbandes – nach der Pleite des Vermarkters ISL fehlen dem DTB derzeit rund 10 Millionen Euro jährlich – sollen, so von Waldenfels, der in Karlsruhe seine erneute Kandidatur für das Präsidenten-Amt ankündigte, kein Hindernis für die Beförderung des B-Kadertrainers darstellen.

Boris Becker, Auslöser der neuesten soap im deutschen Tennis, war in der Europahalle derweil nur als Pappkamerad von einem Fan aufgebaut. In natura hätte der Leimener indes die Kasse klingeln lassen. Als der Altmeister 1995 vor dem Daviscup-Match gegen Kroatien ein öffentliches Training absolviert hatte, drängelten sich 7.000 Schaulustige um den Tennisplatz. Ohne Beckers Einsatz im Doppel, den Stich vor seinem Rauswurf tatsächlich erwogen hatte, verloren sich an allen drei Tagen zusammen nur etwa halb so viele Zuschauer auf den 5.000 Plätzen. Das Auftakt-Einzel verfolgten kümmerliche 400 Besucher. Von der Frage an Prinosil und Kiefer, ob sie nicht selbst mit Becker das Doppel gewonnen hätten, fühlte sich Kühnen dann aber doch brüskiert und antwortete an der Spieler statt: „Die Nominierung war sportlich richtig.“

Der einzige dreifache deutsche Daviscup-Gewinner durfte sich auch ansonsten der Zustimmung seiner Akteure sicher sein. „Wir wollen den Daviscup gewinnen und greifen im nächsten Jahr gemeinsam an“, erklärte Haas vor laufenden Kameras und erntete von den ihn umringenden Kameraden beifälliges Gemurmel. „Wir müssen nur an einem Strang ziehen“, unterstrich Prinosil. Das aber missriet schon vor dem Treueschwur: Haas-Manager Stefan Füg soll nämlich einen Alleingang seines Schützlings mit Schüttler geplant haben, Kühnen beharrte jedoch auf die Einbindung der beiden Doppel-Spieler in die Zukunftsplanung. Dass Manager zu viel Politik im deutschen Tennis machen, nannte von Waldenfels eine „Tatsache, die ich nicht kommentieren will“. Dann beendete der DTB-Präsident das Thema. „Die Spieler haben ihre Bereitschaft für den Daviscup erklärt, ich hoffe, dass sich auch das Umfeld danach richtet“, wünschte sich von Waldenfels da.