Energiekrise im Kosovo

Stromausfälle, Misswirtschaft und Korruptionsverdacht belasten die UN-Mission

PRIŠTINA taz ■ Stromausfall – die Straßen der Hauptstadt Kosovos, Priština, bleiben nachts dunkel. Nur die Hotels, Restaurants und Geschäfte sind beleuchtet, die einen eigenen Generator haben. Drei Jahre nach dem Einmarsch der Nato-Truppen und der Etablierung einer Verwaltung der Vereinten Nationen (Unmik), funktioniert im Kosovo die Energieversorgung immer noch nicht. Dabei sind nach unterschiedlichen Angaben seither 400 bis 500 Millionen Euro in die Stromversorgung und dem Kauf von Energie gesteckt worden.

Was ist mit dem Geld passiert? Nördlich der Stadt liegt das Braunkohlekraftwerk Obelic, das seit über 30 Jahren Strom für das Kosovo und Serbien geliefert hat. Jetzt ist es funktionsunfähig, weil während der Zeit der Regierung Milošević in Serbien, also seit den späten Achtzigerjahren, nichts für die Instandhaltung getan wurde. „Was wir hier vorfanden, ist eigentlich ein großer Schrotthaufen“, sagte ein deutscher Techniker nach dem Einmarsch der Nato. Europa hat Geld gegeben, um das Werk instand zu setzen. Bis zum Sommer wurden die B-Blöcke des Werks auch funktionsfähig gemacht. Doch im Juli ging ein schweres Gewitter über dem Kosovo nieder. Und ausgerechnet die gerade erst reparierten und modernisierten B-Blöcke des Kraftwerkes wurden vom Blitzschlag getroffen. Kabel verschmorten, neue Installationen brannten aus. Statt 500 Megawatt bei voller Leistung erzeugt Obelic jetzt mit einem Block gerade einmal 120 Megawatt. Ein Wasserkraftwerk liefert noch 35 Megawatt. Doch im Winter werden die zwei Millionen Menschen im Kosovo etwa 650 bis 700 Megawatt brauchen.

Der Chef der UN-Mission, Michael Steiner, hat das Energieproblem zur Chefsache gemacht. Er verfügte Stromsperren im Dreistundentakt und versprach, verstärkt für die Instandsetzung des Kraftwerkes zu arbeiten. Ab sofort werde sich der Ex-E.ON-Manager Josef Rieder um das Kraftwerk kümmern. Schon bis November sollen einige der Blöcke wieder ans Netz gehen können. 100 Megawatt würden jetzt aus Bulgarien importiert.

Sorgen macht der Verwaltung, dass viele Kunden des Stromversorgers KEK ihre Rechnungen nicht bezahlen. Nach Unmik-Angaben belaufen sich die Schulden einzelner Institutionen auf über 500.000 Euro. Fast 60 Prozent der Kunden zahlten nicht. Deshalb hat Unmik jetzt zehntausenden Haushalten gedroht, ihnen den Strom abzustellen.

Über ein anderes Problem spricht Steiner jedoch nicht so gerne öffentlich – die Korruption. Ein Teil der Riesensumme ist offenbar in dunklen Kanälen versickert. KEK-Direktoren sollen sich Genehmigungen für Reparaturen von den beteiligten Firmen bezahlt haben lassen. Selbst Sabotage ist nicht auszuschließen, um neue Reparaturen notwendig zu machen. Und auch gegen den jetzt untergetauchten UN-Mitarbeiter und ehemaligen Vorsitzenden des Verwaltungsrates Jo Trutschler wird ermittelt. Er steht im Verdacht, etwa 2,3 Millionen Euro zur Seite geschafft zu haben. Und das soll laut Diplomaten nur die Spitze des Eisbergs von Korruptionsfällen in der UN-Mission selbst sein.

Einfallsreichtum bei der Entwicklung des Energiesektors hat die UN-Mission bisher nicht gezeigt. Statt in dezentrale Anlagen wurde ausschließlich in das marode und ökologisch höchst schädliche Großunternehmen investiert. Wenn die aktuelle Krise überwunden ist, will Steiner „dringend nötige Diversifizierung der Energieproduktion“ angehen. „Die Möglichkeiten für erneuerbare Energien, wie Wind und Sonne, müssen überprüft werden“, erklärte er gegenüber der taz. ERICH RATHFELDER