Retten Sie mich...

... vor mir selbst: Radio Bremens Krimi-Preis geht an die britische Autorin Frances Fyfield. Warum nur?

Die Frau müsste eigentlich tot sein. Ist sie aber nicht. Ami Petty, die nach einem schweren Zugunglück den Ort des Geschehens ebenso unversehrt wie unbemerkt verlässt, teilt dies Schicksal mit einigen Charakteren der Populärkultur. Etwa mit Bruce Willis in der Comic-Mediation „Unbreakable“ oder der Organistin im Gruselklassiker „Carnival of Souls“.

Anders als dort folgt die britische Kriminalautorin Frances Fyfield, Jahrgang 1948, in ihrem gerade auf Deutsch erschienenen Buch „Böser Verdacht“ nicht der ,Untoten‘. Fyfield, die heute mit dem diesjährigen Bremer Krimi-Preis ausgezeichnet wird, geht da ,feinsinniger‘ vor. Amis Verschwinden bringt einiges ins Rollen. Für ihren obskuren Ehemann Douglas könnte sie Entlastungszeugin sein. Oder Belastungszeugin? Ami muss her, so oder so. Für Elizabeth Manser, Anwältin und Protagonistin des Romans, beginnt eine lange Suche.

Fyfield ist Staatsanwältin. Oder sie war es. Das offizielle Amt erscheint in biografischen Angaben mitunter wie ein Nebenjob. Gewiss waren die Erfahrungen aus dem alten Beruf für den neuen hilfreich. Aber wird dadurch irgendwas authentischer? Dann müsste ja jemand, der einen überzeugenden Roman aus der Perspektive eines Psychopathen schreibt, selber auch….

Würde Fyfield wohl nicht behaupten. Und doch ist sie ein Star, umgeben von einer gewissen Aura. Vielleicht auch, weil ihr an Recherche, Psychologie – eben „Feinsinnigkeit“ – so viel liegt. Sie scheint – siehe Filmbeispiele oben – der Fähigkeit der populären Kultur, mit schlichten Setzungen zu arbeiten, nicht recht zu trauen. Bei Fyfield wird alles fein säuberlich psychologisch hergeleitet.

Das ist langweilig und kommt in mitunter recht schräger Metaphorik daher. Der Zug etwa, in dem Ami bald verunglücken wird, ist „eine plumpe, lang gestreckte Eidechse, die von Stadt zu Stadt glitt und sich unter den Häusern versteckte statt unter einem Stein“.

Vieles wirkt wie gelähmt von dem verkrampften Versuch, „wirklich“ zu sein. Was zur Eleganz oft fehlt, ist die Beiläufigkeit, mit der Bedeutsames eingeführt wird. Nachdem Ami der Anwältin „Retten Sie mich … vor mir selbst …“ auf den Anrufbeantworter stammelt, ruft diese prompt zurück: „Sie hörte das einsame, anhaltende Klingeln und stellte sich eine verlassene Telefonzelle vor, an der der Verkehr vorbeibrauste“.

Wollen wir uns diese Telefonzelle nicht lieber selber vorstellen? Wie trägt sie zur Charakterisierung der Figur bei? Ihr Gegenüber ist schließlich „verschwunden“, wie uns auf den 300 Seiten zuvor ohne Unterlass mitgeteilt wurde.

Plot ok, Erzählung ok, mehr aber nicht. Und das viel zu lang. Nicht auszuschließen, dass solches zu den zeitgenössischen Schwierigkeiten des Genres zählt. Ob’s da weit und breit niemand anderen zum Auszeichnen gegeben hat?

Tim Schomacker

Die Preisverleihung heute ab 20 Uhr im Schauspielhaus bildet den Auftakt der 5. Bremer Krimi-Tage. Bis einschließlich Freitag lesen, erzählen und diskutieren AutorInnen wie der letztjährige Preisträger Friedrich Ani, Wolf Haas, Barbara Krohn, Michael Conelly, Horst Eckert und Philip Kerr. Informationen und Kartenreservierungen unter ☎ 0421-32 71 73 oder unter www.buchgeist.de