Taktische Wahl

Berliner Sozialdemokraten bleiben trotz Verlusten stärkste Partei. Viele Berliner wählten taktisch, halfen Rot-Grün

Bei der Bundestagswahl wurde die SPD in Berlin trotz Verlusten stärkste Partei. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kommt die SPD auf 36,6 Prozent gegenüber 37,8 Prozent bei der Bundestagswahl 1998. Für die CDU, die vor vier Jahren 23,7 Prozent erreicht hatte, votierten 25,9 Prozent. Drittstärkste Partei wurden die Grünen, die mit 14,6 Prozent gegenüber 11,3 Prozent 1998 die PDS überholen konnten. Der PDS gaben 11,4 Prozent der Wähler ihre Zweitstimme, vor vier Jahren waren es noch 13,4 Prozent. Die FDP kam auf 6,6 Prozent gegenüber 4,9 Prozent vor vier Jahren. Die Wahlbeteiligung lag bei 77,6 Prozent, das sind 3,5 Prozentpunkte weniger als 1998.

Die Sozialdemokraten errangen neun der zwölf Berliner Direktmandate. Zwei weitere entfielen auf die PDS. Im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg erhielt Christian Ströbele das bundesweit erste Direktmandat für die Grünen. Die CDU ging leer aus. Knapp war die Entscheidung aber in Reinickendorf, wo der CDU-Kandidat Roland Gewalt mit 42 Prozent der Erststimmen nur einen halben Prozentpunkt hinter dem SPD-Kandidaten Detlef Dzembritzki lag.

Viele Berliner und Berlinerinnen haben taktisch gewählt – zumeist, um Rot-Grün zu unterstützen. So erhielt der Grünen-Kandidat Christian Ströbele in Friedrichshain-Kreuzberg deutlich mehr Erststimmen als die Partei Zweitstimmen bekam. In den PDS-Hochburgen Lichtenberg und Marzahn/Hellersdorf erzielte die PDS wesentlich mehr Erst- als Zweitstimmen. Ein Indiz dafür, dass viele PDS-Sympathisanten ihrer Partei über den Gewinn von Direktmandaten den Einzug in den Bundestag verschaffen wollten, aber auch Rot-Grün mit der Zweitstimme für die SPD unterstützten.

Die regionale Verteilung der Wählergunst war indes weitestgehend erwartbar: Die CDU war besonders stark in den Außenbezirken, während sie in der Innenstadt schwach blieb. Die Grünen-Hochburgen liegen dagegen in der Innenstadt: in der Gegend am Winterfeldtplatz in Schöneberg, im südlichen Kreuzberg 61, in Kreuzberg 36, im südlichen Teil Friedrichshains, in der Spandauer Vorstadt in Mitte und in Prenzlauer Berg. Die PDS war besonders erfolgreich in Marzahn, Hellersdorf und Lichtenberg, aber auch an der Leipziger Straße in Mitte und in Kreuzberg 36.

Die rechten Parteien erzielten insgesamt knapp über drei Prozent der Zweitstimmen: Die Schill-Partei kam auf 1,8 Prozent, die Republikaner auf 0,7 und die NPD auf 0,6 Prozent. Die in Ostberlin starke NPD, die 0,2-Prozentpunkte oder rund 3.500 Stimmen hinzugewinnen konnte, kommt jetzt in den Genuss der Wahlkampfkostenerstattung, da sie mehr als 0,5 Prozent der Zweitstimmen erhielt. ROT