„Wir wollen noch wachsen“

Wolfgang Wieland, Fraktionsvorsitzender der Berliner Grünen, nennt drei Gründe für den überraschenden Erfolg der Ökopartei in Berlin: Joschka, Authentizität und die PDS

taz: Herr Wieland, sprechen wir schon mit dem künftigen Bundesjustizminister der Grünen?

Wolfgang Wieland: Nein. Die Frage der Ressorts steht ganz am Ende. Die sind bei uns ohnehin quotiert, insofern erledigt sich die Frage.

Auf wessen Konto geht der Wahlsieg der Grünen?

Es ist uns gelungen, unsere Anteile am Regierungshandeln deutlich zu machen. Die Natur hat sich mit der Flut im Wahlkampf zurückgemeldet, wir brauchten also unser Programm nicht umzuschreiben. Es wurde einfach klar, dass wir die authentische Umweltpartei sind. Hinzu kommt der Joschka-Faktor. In einer Situation, in der Krieg droht, wollen die Leute die Gewähr, dass der Außenminister kein dummes Zeug redet, sondern dass er für Frieden eintritt.

Hätte der Joschka-Effekt alleine es auch gerissen?

Joschka Fischer alleine, mit einer Partei, bei der nicht sicher ist, dass man sie noch braucht, das hätte nicht geklappt. Atomausstieg, Lebenspartnerschaften, Agrarwende. Man muss doch sagen: Was die rot-grüne Regierung gut gemacht hat, hat sie auf den grünen Gebieten gut gemacht.

Die Berliner fanden Ihre Leistungen bei der letzten Abgeordnetenhauswahl offenbar nicht so toll. Im Januar mussten Sie die Regierungsgeschäfte wieder abgeben. Wie kam es nun zum Comeback der Grünen hier in Berlin?

Natürlich auch aus der Enttäuschung über unsere Niederlage heraus. Als wir im Januar aufhören mussten, haben sehr viele Menschen uns gesagt: Das haben wir so nicht gewollt. Eigentlich waren wir Grünen mit unserem Personal sogar ein Positivfaktor im rot-grünen Senat.

Und wie viel Stimmen schulden Sie der PDS?

Wir haben natürlich von der Enttäuschung über die PDS profitiert, die einen erkennbaren Kampf – so wie wir – für die Studenten und gegen Wegkürzen der Bildung nicht geliefert hat. Viele, die im letzten Oktober noch PDS wählten, haben das offenbar als Fehler erkannt und wollten das nun mit ihrer Stimme für Grün wettmachen. Anders sind unsere guten Ostberliner Ergebnisse ja gar nicht zu erklären.

Und wie kommen die Grünen neuerdings auch in klassischen CDU-Bezirken wie Reinickendorf und Spandau zu Wählern?

Diesmal haben wir im Wahlkampf keinen Bezirk links liegen lassen. Spandau hatte zum Beispiel mit Lisa Paus eine aktive Direktkandidatin. Auch in den östlichen Plattenbaubezirken hatten wir den Kampf aufgenommen, auch wenn man sich da nach wie vor etwas in der Diaspora befindet. Es war für uns tatsächlich eine Schicksalswahl, denn im Frühjahr war es keineswegs sicher, dass wir die Fünfprozenthürde schaffen würden. Es gab bei uns in dieser Zeit aber keine Zwistigkeiten. Selbst die umstrittene Listenplatzaufstellung mit Werner Schulz anstatt Andrea Fischer und Christian Ströbele führte nicht zu Zerfleischungen. Das überzeugt.

Die Grünen sind nun, hinter SPD und CDU, dritte Kraft in Berlin. Was heißt das für die Zukunft, vor allem die des rot-roten Senats?

Wir sehen unseren Kurs weiterhin eigenständig grün, oppositionell, nach Möglichkeit kreativ. Keinesfalls sehen wir uns als Anhängsel eines schwarz-gelben Bürgerblocks. Wir sind auch nicht Reservebank für Klaus Wowereit. Auf diesem Kurs wollen wir sogar noch wachsen.

Die PDS ist die große Verliererin dieser Wahl. Schafft der Senat es noch bis 2006?

Rot-Rot wird in schweres Fahrwasser geraten. Weil ein Teil der PDS sagen wird, dass dieser Sparkurs, wie er bislang gefahren wurde, sie umbringen wird. Dieser Teil wird dann aus der rot-roten Front ausbrechen. Aber ich sag’s nochmal, wir sitzen nicht auf der Reservebank.

INTERVIEW:
ADRIENNE WOLTERSDORF