DER MISSERFOLG DER FDP HAT VIELE VÄTER – EINER IST GUIDO WESTERWELLE
: Das Ende der schönen Träume

Die antisemitisch gefärbten Zündeleien von Jürgen Möllemann waren widerlich. Ein – noch keineswegs sicheres! – Ende seiner Karriere wäre erfreulich. Trotzdem lässt sich das für die FDP enttäuschende Wahlergebnis nicht in erster Linie mit dessen Eskapaden erklären, so gerne die Führungsspitze der Partei das auch hätte. Wer sich an deren zögerliche Reaktionen auf die ersten Ausfälle von Möllemann erinnert, der muss es unappetitlich finden, dass ihm die politischen Freunde nun alle Schuld alleine zuschieben möchten.

Wenn eine Partei so erbarmungslos aus schönen Träumen gerissen wird wie jetzt die FDP, dann kann der Vorsitzende – Verzeihung: der Kanzlerkandidat – nicht agieren, als habe er damit nichts zu tun. Guido Westerwelle hätte für einen Erfolg gerne die Verantwortung übernommen. Er ist auch für den Misserfolg verantwortlich. Offenkundig hat er irgendwann die Bodenhaftung verloren.

Natürlich quittieren viele Leute den Hinweis mit Beifall, dass in einem freien Land das Ergebnis einer Wahl nicht vorweggenommen werden dürfe, und goutieren deshalb sogar eine aussichtslose Bewerbung um das Amt des Regierungschefs. Schließlich ist es eine angenehme Vorstellung, mit der eigenen Stimmabgabe alle Karten – zumindest theoretisch – neu mischen zu können. Dieser Wunsch sagt aber noch nichts über die Wahlentscheidung dieser Leute aus. Wie sich gezeigt hat.

Es ist ohnehin fraglich, ob alle Parteien danach streben sollten, zu den Großen zu gehören. Dann könnten sie nämlich auch keine Schwerpunkte mehr setzen. Aus inhaltlichen Gründen wäre das bedauerlich. Die Grünen hätten vermutlich ohne die ihnen zugeschriebene Umweltkompetenz ein schlechteres Ergebnis eingefahren, und Westerwelle ist auf den Deichen nicht vermisst worden.

Die Unbescheidenheit des FDP-Vorsitzenden hat nun dazu geführt, dass seine Partei trotz Stimmenzuwächsen dem allgemeinen Gespött preisgegeben ist. Das wissen auch seine politischen Freunde. Aber da es zu Westerwelle derzeit keine Alternative gibt, konzentrieren sie sich eben auf Möllemann. Das ist ziemlich erbärmlich. BETTINA GAUS