Schleusern effektiv das Handwerk legen

Experten diskutieren in Brüssel über Konzepte zum Kampf gegen Menschenhandel. Maßnahmen müssen in Herkunfts- und Zielländern ansetzen

BRÜSSEL taz ■ Menschenhandel gilt als einträgliches Geschäft. Horrende Summen für eine Mitfahrgelegenheit im luftdichten Container, für falsche Papiere oder die Vermittlung von Jobs, die meist Sklavenarbeit sind. Im Gegensatz zum Drogenhandel verspricht diese Branche maximale Gewinne bei minimalem Risiko: Wer mit Schleusern in Kontakt kommt, beschwert sich hinterher nicht bei der Polizei. Auch die Kunden haben kein Interesse daran, öffentliches Aufsehen zu erregen. Zwischen 500.000 und 700.000 Frauen und Kinder werden nach Schätzung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) jedes Jahr in die reichen Industrieländer verkauft. Mehr als zwei Millionen Menschen geraten in die Abhängigkeit von Schleusern.

Auf Initiative der Europäischen Kommission fand Ende vergangener Woche in Brüssel die weltweit bislang größte Fachkonferenz zur Bekämpfung des Menschenhandels statt. Mehr als 1.000 Experten und Politiker aus Ländern der EU, der Beitrittskandidaten und Osteuropas debattierten drei Tage, wo wirkungsvoll gegengesteuert werden kann: in den Herkunftsländern, beim Datenaustausch, Strafrecht oder in den Zielländern, deren Nachfrage nach billigen Kindermädchen, Erntehelfern oder Prostituierten den schwunghaften Handel erst einträglich macht. IOM-Sprecher Jean-Philippe Chauzy glaubt, dass Informationsaustausch dazu beiträgt, das Risiko für die Täter zu erhöhen. Es sei gelungen, mit allen Kandidatenländern ins Gespräch zu kommen. Sie hätten Zahlen auf den Tisch gelegt und konkrete Maßnahmen versprochen. In den kommenden drei Jahren bis zum Beitritt könne man verfolgen, was aus diesen Selbstverpflichtungen geworden sei. Wie dem Problem zu begegnen ist, darüber gingen in Brüssel die Ansichten weit auseinander. So schlug Soren Christensen, Generalsekretär des Rates skandinavischer Länder, vor, bei der Nachfrage in den Zielländern anzusetzen. In Schweden risikiert sechs Monate Haft, wer die Dienste einer Prostituierten in Anspruch nimmt. Belgien plant ein ähnliches Gesetz. Würde die Nachfrage aus Angst vor Strafe sinken, würden nicht mehr so viele Frauen aus Osteuropa in EU-Länder gebracht.

Andere Teilnehmer widersprachen dem. Dadurch würden die ohne Papiere in der EU arbeitenden Frauen weiter in die Illegalität gedrängt. John Davies vom Forschungszentrum für Migrationsfragen in Sussex weist nach, dass Migrantinnen Chancen auf einen legalen Job haben müssen, um sich aus der Abhängigkeit von Schleusern und Zuhältern zu befreien.

Jean-Philippe Chauzy von IOM ist überzeugt, dass beide Wege parallel verfolgt werden müssen. Mögliche Kunden solcher illegal erbrachter Dienstleistungen müssten ebenso über die Konsequenzen ihres Handelns aufgeklärt werden wie die Menschen in den Herkunftsländern. In Moldawien und Rumänien hat IOM mit Kampagnen und Hotlines dafür gesorgt, dass Frauen sich an Hilfsorganisationen wenden konnten. Auch eine befristete Aufenthaltsgenehmigung für die Opfer ist nach Überzeugung von IOM nötig, um die Täter zu finden und brauchbare Zeugenaussagen vor Gericht zu bekommen. Belgien und Italien haben mit derartigen Regelungen gute Erfahrungen gemacht.

IOM fordert, Ausländer- und Strafgesetze möglichst weit anzupassen, um in Europa die gleichen Ausgangsbedingungen zu schaffen. Ferner soll eine europaweite Datenbank Vermisster die Spurensuche erleichtern. Wenn es jedoch gelänge, die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern und legale Jobs in den Zielländern für Migranten zu öffnen, müssten sich Menschenhändler neue Einnahmequellen suchen.

SABINE REHBERG,

DANIELA WEINGÄRTNER