11. Gebot: Du sollst nicht schwätzen

Der NDR macht jetzt auch eine kirchliche Talkshow. Pastor Heinke vergleicht sich aber eher mit Kerner oder Beckmann als mit Jürgen Fliege

„Ist das so eine Situation, in der man mit Gott hadert?“

von PETER AHRENS

Der Fliege des NDR heißt Heinke. Kinnbart, Rollkragenpullover, karierte Stoffhose – wie man sich einen evangelischen Seelsorger möglicherweise vorstellt. Pastor Claus-Ulrich Heinke macht zwar ab Oktober auch Kirchen-Talk, sieht sich aber ansonsten „eher bei Beckmann oder Kerner“ als bei seinem prominenten Pastorenkollegen der ARD. Ab dem 3. Oktober geht Heinke mit dem Titel „Offen gesagt“ im NDR-Fernsehen N3 auf Sendung und stellt seinen Gästen so Fragen wie: „Gibt es da so etwas wie Zorn, das Sie in sich verspüren?“ oder „Ist das so eine Situation, in der man mit Gott hadert?“

Man wolle mal „was Flotteres, dem Programm gemäßeres“ senden, hat sich der zuständige Redakteur beim NDR, Uwe Michelsen, gewünscht. Bisher hatten die kirchlichen Sendungen, die in Lokstedt produziert wurden, solche Namen wie „Ohne Wenn und Amen“, eher „sehr langatmige Formate“, wie Michelsen einräumt. Jetzt soll der Pastor Heinke aus Hildesheim, Öffentlichkeitsbeauftragter in seinem Bistum und seit mehr als zehn Jahren freier NDR-Mitarbeiter, in zunächst acht jeweils halbstündigen Talks das „klassische Spekt- rum der Seelsorge“ ins Fernsehen bringen, Themen mit Menschen, „die irgendwelche Ängste oder persönliche Geschichten auf Lager haben“, formuliert Michelsen.

Die erste Sendung, bereits in dieser Woche vorproduziert, läuft am Tag der Deutschen Einheit zum Thema „Heimatvertriebene“ und wurde gestern schon einmal der Presse vorgestellt. „Ein Thema, das an diesem Feiertag den Begriff Heimat noch deutlicher betonen soll“, stellt Jan Dieckmann, Rundfunkbeauftragter der norddeutschen Kirchen, heraus. Eine ältere Frau, in ihrer Jugend aus dem Sudentenland vertrieben, erzählt im Fernseh-Studio, dass „sie es den Tschechen schon übelnimmt, wie sie das Land verkommen lassen“. Und eine andere Schicksalsgenossin plädiert für „Versöhnung und Verständnis“, seit ihr „ein Tscheche die Hand gegeben und sich entschuldigt hat“. Der Pastor als Moderator, der seine „Aufgabe nicht darin sieht, wertend einzugreifen“, ist ganz Verständnis und Ohr: „Wie verarbeitet man das?“

Heinke wurde aus 60 BewerberInnen für die Sendung ausgesucht, „einer, der sich schon optisch vom normalen Talkshow-Moderator unterscheidet“, findet Dieckmann. Demnächst soll Heinke über Schlankheits- und Schönheitswahn, über Videospiele und Verbrechen talken: „Themen, die Menschen anziehen und gleichzeitig Tiefe mit sich bringen“, umreißt Dieckmann das Konzept.

Bis zu 100.000 Leute will Michelsen damit erreichen, die Sendung soll vorzugsweise nachmittags an Feiertagen laufen, dann „sitzen erfahrungsgemäß die Älteren vor dem Fernseher“, weiß NDR-Redakteur Werner Grave.

Mit der Aufzeichnung sind Redakteure und Rundfunkbeauftragte zufrieden. Nur das Kreuz an Heinkes Revers hat bei der Aufzeichnung niemand von den Presseleuten bemerkt. „Das müssen wir nächstens größer machen“, wird beschlossen.

„Offen Gesagt“, Do. 3. Oktober, 15.30 Uhr, N3