berliner szenen David Bowie im Handy

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Spätestens seit „Big Brother“ möchte jeder live sein in seinem Leben oder möchte sein Livesein mit anderen teilen mittels moderner Technologien. Die sind hilfreich, verweisen aber letztlich immer auf Mängel.

Das Chatten endet immer mit der Feststellung, wie schade es doch sei, dass man in echt so weit weg ist. Im Handy unterhält man sich mit Geistern von Freunden und wird selbst zum körperlosen Geist, jedenfalls, wenn man einfach nur plaudern möchte. Einer hilflosen Geisterbeschwörung ähnelt auch oft der beliebte Anruf vom Konzert. Das ist mittlerweile ja so beliebt, wie neue Bekanntschaften zu googeln. Man ruft jemanden an, von dem man weiß, dass der den Musiker da mal verehrte, und hält das Handy bei einem wichtigen Stück Richtung Lautsprecher, damit der andere auch dabei ist.

Leider ist es oft so, dass der Angerufene meist Gründe gehabt hatte, nicht auf das Konzert zu gehen – oft, weil man sich nicht so gerne in Retrosentimentalitäten kuscheln möchte. Selbst wenn man es wollte, wäre man unglücklich über die Handyliveübertragung, weil man ja nicht da ist, wo’s so toll ist. Und dass es ganz toll ist, wo man nicht ist, möchte einem ja der Handyfreund vermitteln.

Ich guckte, was die Wahlen machten, und David Bowie sang „Heroes“ im Telefon. Die „Sopranos“-Cassette war gerade großartig, als der jung gebliebene Sänger wieder am Telefon war. „Far out“, „freak out“; „Moonage Daydream“ quäkte blechern aus dem Hörer, den man neben sich aufs Sofa gelegt hatte. Während Bowies Altersgenosse Stoiber seinen Wahlsieg befaselte, sang Bowie im Telefon „Ziggy Stardust“ und irgendwie hatte man ein schlechtes Gewissen, als man ihn versehentlich ausgestellt hatte.

DETLEF KUHLBRODT