PDS streitet neu über Rot-Rot

Nach dem verpassten Einzug in den Bundestag steht das Berliner Senatsbündnis in der Kritik. Wirtschaftssenator Harald Wolf mahnt seine Genossen: „Das Wie, nicht das Ob diskutieren“

von ROBIN ALEXANDER

Theorie und Praxis gehen bei der PDS seit Sonntag Hand in Hand. Nach der verlorenen Bundestagswahl analysierte die Parteiführung, die Senatoren müssten in Zukunft zeigen, dass sozialistische Politik nicht nur im Sparen besteht. Wie das konkret aussieht, demonstrierte gestern Wirtschaftssenator Harald Wolf. Er stellte ein Maßnahmenpaket für Ausbildungsplätze vor, das eine „Sonderkommission Ausbildungsplatzsituation“ im Senat aufgelegt hat. Die Interpretation des Vorgangs lieferte Wolf gleich mit: „Die politische Aussage dieser Koalition wird eingehalten, dass jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz bekommt.“

Danach war wieder die Theorie dran. Vor Journalisten warnte Wolf vor einer prinzipiellen Infragestellung des Regierungsbündnisses mit der PDS. „Wir brauchen keine prinzipielle Diskussion, ob wir in Regierungen gehen oder nicht.“ Wolf erklärte, man könne sich sowohl in der Regierung als auch in der Opposition profilieren „oder in beiden Rollen profillos sein“. Speziell in Berlin habe die PDS die mit dem Regierungsantritt verbundenen Hoffnungen „gar nicht erfüllen können“. Die Verantwortung für das schlechte Wahlergebnis läge aber nicht beim Berliner Landesverband: „Alle Landesparteien zeigen einen Abwärtstrend.“

Das sehen Teile der Partei anders. Der sächsische Landesvorstand der PDS nannte gestern das Berliner Regierungsbündnis als eine Ursache der Niederlage. Eine Gruppe „Linke Opposition in und bei der PDS Berlin“ analysierte in der Zeitung junge welt gar, „dass sich die PDS in der Senatskoalition regelrecht auf die Seite der Besitzenden geschlagen hat und die Besitzlosen zahlen lässt“. Tatsächlich meinen viele Genossen, vor allem die zeitliche Parallele der Bürgschaft für die Bankgesellschaft und der Kürzungen in allen Bereichen des Landeshaushalts sei Antiwerbung für die PDS gewesen. Längst sehen die Architekten von Rot-Rot die Gefahr, der in drei Wochen stattfindende Parteitag in Gera könnte sich zu einem hitzigen Tribunal gegen die Senatsbeteiligung auswachsen.

Wolf hält jetzt schon dagegen: „Wir stehen links von der SPD. Unsere nichtsozialdemokratische Politik darf aber nicht nur postuliert werden, sie muss auch mit Konzepten unterlegt werden.“ Die „Flucht aus der Verantwortung, wenn die Probleme groß sind“, würde nicht honoriert werden, sagte Wolf und verwies auf „den Testfall eines Senators“. Gemeint war Gysi.

Auf einer gemeinsamen Sitzung von Fraktions- und Landesvorstand war schon am Montag überlegt worden, wie man das Bündnis mit der SPD in einem besseren Licht darstellen lassen könne. Konzentriert sich der Zorn der Parteibasis auf die ungeliebte Bundesparteivorsitzende Gabi Zimmer oder den für den verpatzten Wahlkampf verantwortlichen Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, kommen die Berliner vielleicht aus der Schusslinie. Harald Wolf erklärte zwar: „Rot-Rot steht nicht außerhalb der Kritik“, lenkte die Diskussion aber gestern sanft in andere Richtungen. Der Wahlkampf, „wie er geführt wurde“, habe augenscheinlich „nicht ausgereicht, Wähler zu überzeugen“. Wolf sieht kein Zuviel an Pragmatismus als Ursache der Krise, sondern ein Zuwenig: „Wir werden nicht mehr als eine Partei im Überlebenskampf gewählt, die sich vor allem auf ihr Image stützt. Wir müssen inhaltlich überzeugen.“

In der gestern tagenden Abgeordnetenhausfraktion kam es zu keiner kontroversen Debatte. Nur eine Stunde lang diskutierten die Parlamentarier, bevor sie sich auf Vorschlag der Fraktionsführung vertagten. Nächste Woche soll auf einer außerplanmäßigen Fraktionssitzung die Wahlniederlage diskutiert werden.