strafplanet erde: catchen mit dem facility-manager von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Deutschland ist ein großartiges Land und die deutsche Bevölkerung ist eine großartige Bevölkerung, das bleibt wahr und gültig, die Richtigkeit dieses Satzes ist unabhängig von jedem Wahlergebnis. Und es spielt gar keine Rolle, ob man sich noch daran erinnert, welcher der Kanzlerkandidaten das bei welchem „TV-Duell“ zum Abschied gesagt hat.

Egal, wer’s war – er hat vergessen hinzuzufügen: Die deutschen Schäferhunde sind großartige Schäferhunde, die deutschen Krötenwanderungsschützer sind großartige Krötenwanderungsschützer und – last but not least – die deutsche Sprache ist eine großartige Sprache. Aber sie ist bedroht. Seitdem Gott sie erschaffen hat, ist sie bedroht.

Die Symptome des sprachlichen Verfalls, die Indizien für den Niedergang sind jederzeit gut für einen Essay oder einen Leserbrief in der FAZ, vor allem aber hört man’s im alltagskommunikativen Diskurs.

Doch die Komplexität des sprachlichen Wandels – willkommen beim heutigen Oberseminar – ist schwerlich einigermaßen übersichtlich zu sortieren. So dass ich behende zu dem vorläufigen Endergebnis komme: Penetrant wird es eigentlich nur, wenn im Tonfall, dessen sich da jemand befleißigt, etwas Hygienepolizeiliches, Hochkulturpessimistisches mitschwingt. Entscheidend ist sowieso der Einzelfall. Wenn ein Hausmeister heute Facility-Manager ist, lässt sich gegen diese berufliche Verbesserung doch kaum etwas einwenden.

Lachhaft hingegen bleibt das wichtigtuerische, unwahrscheinlich flott eingeflochtene, Weltkenntnis signalisierende Wort, das jemand dem Management-Jargon entnimmt. Aber immerhin versteht man es meistens. Da sagt ein Architekt, er habe einen „Gap“ und sein Zeitplan „eine Form von Delay“. Mit anderen Worten: Er hat Scheiße gebaut. Alles klar. Was allerdings an dem Laufschuh mit Motion-Control, DUOMAX-Stützelement gegen Überpronation, Torsionskontrolle durch TRAUSTIC-System, EVA-Board und 3M-Reflektoren besonders ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich bin auch selbst schuld, wenn ich – völlig überfordert vom Romantik-Trend dieser Saison – nicht weiß, wie ich mir den Pullover in Wickeloptik mit Rüschen und gesmokten Ärmelabschlüssen genau vorzustellen habe. Dafür verspricht in einem Prospekt die Verwendung einer Tagesdecke der Firma Granfoulard: „Die Nacht wird neu interpretiert“. Weit und breit kein echtes Fremdwort und dennoch ein rätselhafter Satz, der hier smart kommuniziert wird. Die „Tachylalie der Gitarren“, von der ich neulich in einem Kriminalroman las, wiederum gefiel mir.

Jetzt interessiert es wahrscheinlich niemanden mehr, wie ich auf das Thema gekommen bin. Das war so: Nahezu ein halbes Jahrhundert lang hingen hier von August an überall Plakate, die für das „Catchen“ warben, genauer, die das größte Catch-Turnier der Welt auf dem hiesigen Schützenplatz ankündigten. Seit einiger Zeit steht da „Wrestling“ drauf. Erinnert sich eigentlich jemand an René Lassartesse? Er war der Facility-Manager unter den Catchern. Er war einfach großartig.