american pie
: Pete Rose kämpft um späte Anerkennung

Wetter will in Ruhmeshalle

Das Cinergy Field war gut gefüllt. 40.000 Menschen drängelten sich im altehrwürdigen Baseball-Stadion von Cincinnati. Allerdings nicht, um die Cincinnati Reds zu sehen. Das Baseball-Team um seinen Star Ken Griffey Jr. hat schon seit Wochen keine Chancen mehr auf die Playoffs, lockt selten mehr Zuschauer an und gab bereits am Tag zuvor seine Abschiedsvorstellung in der altehrwürdigen Arena, die demnächst abgerissen wird, bevor es zur nächsten Saison in den neuen modernen Ballpark umzieht.

Nein, die Massen kamen nicht einmal, um Baseball zu sehen. Sie kamen zum Softball, einer entschärften Variante des Baseball. Vor allem aber kamen sie, um einen deutlich übergewichtigen 61-Jährigen unkontrolliert auf den Ball einschlagen zu sehen. Sie kamen, um die Unperson des Baseball zu sehen. Sie kamen, um Pete Rose zu bejubeln und damit ihre Unterstützung zu dokumentieren für dessen unermüdlichen Kampf, in die Hall of Fame aufgenommen zu werden. Denn ginge es allein um sportliche Meriten, müsste Rose längst ein Ehrenplatz in Cooperstown, New York, zugewiesen worden sein.

In 24 Jahren als Spieler schaffte Rose 4.256 Hits. Aber es ist nicht nur dieser Rekord für die Ewigkeit, auf den sich die Beliebtheit von Rose gründet, sondern vor allem die Art, wie dieser zustande kam: Rose galt als eher durchschnittlich talentiert, aber er schaffte es durch Fleiß, Ehrgeiz und einen schier grenzenlosen Siegeswillen dennoch an die Spitze. Ohne Rücksicht auf seine eigene Gesundheit und die seiner Gegner rutschte er in die Bases und erreichte mit den Reds und später den Philadelphia Phillies insgesamt sechsmal die World Series. Er verkörperte wie kaum ein anderer den amerikanischen Traum, dass der Tellerwäscher doch zum Millionär werden kann, wenn er sich nur Mühe gibt, so wie Pete Rose.

Rose’ Pech allerdings war, dass er die Millionen, die er als Baseball-Profi verdiente, als Privatmann allzu schnell wieder verwettete. 1990 wanderte er gar für fünf Monate wegen Steuerhinterziehung hinter Gitter. Schon ein Jahr zuvor war er lebenslänglich gesperrt worden, weil er sich mit Buchmachern eingelassen und auf Spiele der zu diesem Zeitpunkt von ihm trainierten Reds gesetzt hatte. Die Beweislast war überwältigend und Rose einigte sich mit der Major League Baseball (MLB) auf einen Vergleich: Er akzeptierte die Sperre und verzichtete auf rechtliche Schritte, musste dafür aber sein Fehlverhalten nicht öffentlich eingestehen.

Im Nachhinein dürfte die MLB bedauern, dass sie sich damals nicht auf eine Auseinandersetzung vor Gericht eingelassen hatte, in der die ganze Wahrheit ans Licht gekommen wäre. So behauptet Rose, schon als Spieler berüchtigt für seinen Dickkopf und sein Durchsetzungsvermögen, trotz einer überwältigenden Beweislast bis heute steif und fest, er wäre unschuldig. Immer wieder bringt er sich ins Gespräch – und vor allem sein Ansinnen, in die Hall of Fame aufgenommen zu werden. Die Öffentlichkeit ist dabei auf seiner Seite: Zwar ist die überwältigende Mehrheit davon überzeugt, dass Rose damals illegal gewettet hat, aber sie hat ihm mittlerweile vergeben.

Tatsächlich hat Pete Rose, ob bewusst oder nicht, aus seiner einigermaßen tragischen Geschichte sogar ein einträgliches Geschäft gemacht: Autogrammstunden lässt er sich gut bezahlen, und direkt in Cooperstown, in der Höhle des Löwen sozusagen, betreibt er einen eigenen Laden mit Pete-Rose-Merchandising.

Dennoch: Ohne ein offizielles Schuldeingeständnis und eine Entschuldigung von Rose wird die MLB die Sperre wohl niemals aufheben; seiner Beliebtheit aber tut das freilich keinen Abbruch. Als die Cincinnati Reds am vergangenen Sonntag nach ihrem letzten Heimspiel das Ende von Cinergy Field mit einem Festakt begangen, zu dem verdiente Spieler geladen waren, durfte nur Rose nicht teilnehmen. Dafür schallten minutenlang „Pete! Pete!“-Rufe durch das Stadion, das nun auf die Abrissbirne wartet.

THOMAS WINKLER