DIE USA HABEN KEIN RECHT, DIE BELEIDIGTE LEBERWURST ZU SPIELEN: 1 : 1 zwischen Schröder und Bush
Die US-Regierung schmollt. Wie ein großes Kind, dem der kleine Bruder unter den Augen der Mutti die Schaufel weggenommen hat, verweigern die Herren und Damen um George W. Bush, Donald Rumsfeld, Ari Fleischer und Condoleezza Rice der wiedergewählten deutschen Bundesregierung selbst die einfachsten Höflichkeitsfloskeln zur gewonnenen Wahl. Von außenpolitischer Souveränität der Weltmacht zeugt das nicht, und wichtiger: Mit ihrem Verhalten zeigt die Bush-Regierung überdeutlich, dass sie zu einer Partnerschaft, die nicht auf Gefolgschaft und Gehorsam beruht, nicht in der Lage ist.
Natürlich war der Hitler-Bush-Vergleich, so ihn denn die scheidende Justizministerin wirklich gebraucht hat, daneben. Nicht mal im kleinen Kreis sollte eine Ministerin solchen Unsinn reden. Bush allerdings kam das wunderbar zupass: Er musste sich nicht mehr für seine Kriegspläne rechtfertigen, sondern konnte den Druck postwendend zurückgeben. Nur: Worüber reden wir hier eigentlich? Immerhin ist das Verhältnis nicht erst seit vergangenem Freitag zerrüttet, sondern spätestens, seit sich die Bundesregierung gegen den Irakkrieg ausgesprochen hat.
Wer, wie diese US-Regierung, seine Partner seit eineinhalb Jahren in nahezu allen wichtigen politischen Fragen düpiert, hat kein Recht dazu, die beleidigte Leberwurst zu spielen, wenn ihm die eigene Arroganz in Form eines bundesdeutschen Wahlkampfes auf die Füße fällt. Dass die US-Regierung sich offenbar nicht eine einzige Sekunde fragt, warum mit der Kritik an ihrem Verhalten in einem wichtigen Partnerland Wahlen gewonnen werden können, verdeutlicht den Tunnelblick, den sich die US-Regierung im Vollbewusstsein ihrer militärischen Macht inzwischen zugelegt hat.
Schon lange etwa wäre die Hetze der Scientology-Sekte gegen ihre „religiöse Unterdrückung“ und die Unwilligkeit der US-Regierung, solchen Blödsinn klarzustellen, genügend Anlass für eine deutsche Regierung gewesen, beleidigt zu reagieren. Jedenfalls hat Deutschland keinen Grund, jetzt einen Kotau zu vollziehen. Natürlich muss eine Situation wiederhergestellt werden, in der beide Seiten miteinander reden können. Und wenn es dazu notwendig sein sollte, dem US-Präsidenten eine Brücke zu bauen, um ihn von seiner gespielten Verletztheit wegen des Hitler-Vergleichs herunterzuholen, dann sollte auch das passieren. Was aber die deutschen Konservativen jetzt herumkreischen, sollte die Regierung an sich abtropfen lassen. Beim Umgangston steht es zwischen Bush und Schröder 1 : 1, und es ist die US-Regierung, die zeigen müsste, dass sie zu echter Zusammenarbeit in der Lage ist.
Problematisch ist allerdings, dass es trotz weitgehender inhaltlicher Übereinstimmung vieler europäischer Länder bislang nur die Deutschen gewagt haben, einigermaßen Klartext zu reden. Die USA werden nichts unversucht lassen, den anderen EU-Staaten zu zeigen, wie es so einem Aussteiger wie den Deutschen ergeht. Hier muss Außenminister Fischer tatsächlich dringend nacharbeiten – eine schwierige Prüfung. BERND PICKERT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen