Kontrolliert

Im Iran verboten, auf dem Filmfest Hamburg zu sehen: „Women‘s Prison“ von Manijeh Hekmat

Für die „internationale Gemeinschaft“ gehört der Iran zur Achse des Bösen. Der internationalen Gemeinschaft der Cineasten dagegen gilt er als Hort des Guten. Auf Festivals läuft er klassischen Filmnationen regelmäßig den Rang ab – beinahe ist der Iran selbst schon eine. Und dies trotz rigider islamistischer Zensur – oder gerade wegen ihr? Vermutlich eine ebenso müßige (weil unbeantwortbare) Frage wie etwa die, ob bedeutsame Kunst überhaupt nur unter Druck, gegen Widerstand, aus Leid entstehen kann.

Die restriktiven Verhältnisse haben sich jedenfalls auch unter Präsident Khatami nicht wirklich verändert, dessen Wahl einst baldige Liberalisierung zu versprechen schien: Das zeigt einmal mehr das Schicksal von Manijeh Hekmats Debütfilm Women‘s Prison. Kurz vor dem diesjährigen Teheraner Filmfestival wurde er verboten, sogar eine nicht öffentliche Vorführung unter Androhung der Inhaftierung der Regisseurin verhindert.

Und das ausgerchnet, wo der Film selbst vom Leben in einem iranischen Frauengefängnis erzählt (gewissermaßen als Pendant zu Jafar Panahis Der Kreis, der von der Flucht handelte). Haftgründe: politische Unliebsamkeit, Mord und Diebstahl, Zugehörigkeit zur Baha‘i-Religion bis hin zu bloßen Fehlern der Gefängnisverwaltung. Women‘s Prison zeigt den Gefängnisalltag zwischen Essensausgabe und Zwangsaerobic, mit den Extremen Geburt und Tod. Und er untersucht den sozialen Mikrokosmos Knast, wie er im Kino immer schon gern als Versuchsanordnung des Menschlichen betrachtet wurde, die Kontrolle, Unterwerfung und Auflehnung, Ausbeutung und Solidarität in Reinkultur erzeugt.

Das Feld der Handlung wird abgesteckt durch Direktorin Tahareh und ihre Opponentin, die Langzeitgefangene Mitra, die von 1982 bis 2001 einsitzt. Mit wachsender gegenseitiger Anerkennung, ja Zuneigung erleben die beiden wechselnde Insassengenerationen, je zentriert in einer Episode um eine andere junge Frau, die immer von derselben Schauspielerin gespielt wird. Durch diese geschichtliche Dimension gibt Woman‘s Prison indirekt auch ein Bild vom Wandel und Stillstand der Gesellschaft draußen. Durch Stilisiertheit bleibt dabei die eigene Fiktionalität markiert.

Tahereh wird eingeführt als neuer Besen, der gut und eisern kehren soll. Im Lauf der Jahre schleift sich ihre fanatische Strenge ab, und sie probiert, immer im Tschador, schon mal heimlich einen konfiszierten Lippenstift. Mitra dagegen entwickelt sich von der aufsässigen Rebellin zur verantwortungsvollen Integrationsfigur.

Als Mitra entlassen wird, hat man fast den Eindruck, Tahareh bleibe in der Gefangenschaft zurück. Das Gefängnisleben als existentielle Metapher von politischer Sprengkraft, deren Verbot die repressiven Behörden erst recht entlarvt. Auch deshalb erfreulich, dass Woman‘s Prison wenigstens im Ausland gezeigt wird, nach Venedig nun in Hamburg. Jakob Hesler

heute, 19.45 Uhr, Zeise, Sa, 17.30 Uhr, Abaton, So, 16.30 Uhr, Metropolis