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Mit BuchHorn macht ein privater Verein vor, wie eine Stadtteil-Bibliothek funktionieren kann. Vorsitzende Karola Jamnig-Stellmach hat viele Ideen, die die Stadtbibliothek nicht teilen will

Am Freitag wird es zwischen 14 und 18 Uhr im Schulzentrum Horn am Vorkampsweg 97 einen Buchbasar geben. Nichts Besonderes, scheint es. Aber im Schulzentrum Horn hat etwas überlebt, was es eigentlich nicht mehr geben dürfte, eine Stadtteil-Bibliothek. Vor fünf Jahren schloss die Stadtbibliothek diese Außenstelle, ein privater Verein gründete sich – „BuchHorn“ – und organisiert bis heute den Verleih. Wir fragten die Vorsitzende des Vereins, die gelernte Buchhändlerin und CDU-Politikerin Karola Jamnig-Stellmach nach der Idee hinter „BuchHorn“.

taz: Ist das die „Bürgerkommune“ – der Staat speckt ab und die Bürger organisieren sich ihre Bibliotheken selbst?

Karola Jamnig-Stellmach: Für mich ist das nicht Bürgerkommune. Das ist Engagement von Bürgern, die keine Lust haben, sich Lebensqualität entziehen zu lassen.

Wäre die Aufrechterhaltung einer solchen Bibliothek nicht eigentlich eine Aufgabe des Staates?

Nein. Der Staat hat eine Grundversorgung zu gewährleisten. Er sollte allerdings das Vorhandene koordinieren, auch private Initiativen. Der Staat könnte die Kosten dafür übernehmen, dass kleine Bibliotheken wie „BuchHorn“ den Katalog der Stadtbibliothek den Nutzern zugänglich machen.

Brauchen wir die Stadtbibliothek in den Stadtteilen, wenn das alles auch privat geht?

Wir brauchen Bibliotheken in den Stadtteilen. Wir, die kleinen Bibliotheken, machen ja nur ein ganz eingeschränktes Angebot. Aber das breite Angebot der Stadtbibliothek müsste auch in den kleinen Bibliotheken zugänglich sein.

Finden Sie es richtig, dass die Stadtbibliothek sich aus den Stadtteilen zurückzieht? Nach dem Konzept „1+4 “ soll eine große Stadtbibliothek entstehen, in den Stadtteilen bleiben nur vier Standorte?

Und selbst vier sind offenbar zu teuer. Wenn sich die Stadtbibliothek schlicht aus den Stadtteilen zurückzieht, wird ihr Bildungsauftrag reduziert. Der Bildungsauftrag müsste aber ausgedehnt werden. Man könnte Synergien nutzen. Warum kann nicht beispielsweise in einem Museum eine Bibliothek mit dem Schwerpunkt Kunst angesiedelt werden? Wir haben eine Musikbibliothek – warum kann die nicht in der Hochschule für Musik angesiedelt werden? Warum soll sich nicht die Firma Kraft Foods oder Becks zum Beispiel mit der Hochschule zusammen tun und sagen: Wir stellen Räume zur Verfügung und organisieren eine Bibliothek, die Bürger aus dem Stadtteil, Studenten und Mitarbeiter nutzen. Wir müssen insgesamt umdenken. Da muss auch die Stadtbibliothek bereit sein, zu kooperieren. Warum steht nicht in den Bürgerzentren ein Katalog, und wer nur ein bestimmtes Buch haben will und keine Beratung braucht, der kann es dort bestellen, einmal am Tag kommt ein Lieferservice. Das System der Präsenzbibliotheken ist teuer und die Menschen müssen lange Wege in Kauf nehmen. Wenn bei „BuchHorn“ dieser Katalog-Zugang wäre, dann würden Menschen mit dem Fahrrad kommen, sich etwas bestellen, und dann auch abholen.

Das derzeit beschlossene Konzept „1 plus 4“ ist nicht finanzierbar, eigentlich müsste man sich doch zusammensetzen und sagen: Was nun?

Das findet, soweit ich das wahrnehme, noch nicht statt.

Warum nicht?

Erstens haben die Fachleute in der Stadtbibliothek wenig Interesse, mit „Nichtfachleuten“ zusammen zu arbeiten. Zweitens wird die Stadtbibliothek nicht ohne Not auf ihre Standorte verzichten. Und drittens haben wir im nächsten Jahr Wahlen. Ich könnte mir vorstellen, dass bis dahin gar nichts passiert.

Fragen: Klaus Wolschner