Stahlhütte „gefährdet“

Um die „akute Standortgefährdung“ der Hütte abzuwenden, sollen 1.700 Arbeitsplätze weg

Bremens Stahlkocher, 1994 zum letzten Male durch erhebliche staatliche Hilfen und den Verkauf der Mehrheitsanteile an den Luxenburger Stahl-Konzern Sidmar/Arbed gerettet, ist wieder von einer „akuten Standortgefährdung“ bedroht. Das erklärte gestern der Vorstandsvorsitzende der Stahlwerke Bremen-GmbH, Dr. Alphons Schoder. Es gebe „Überkapazitäten“ auf dem Weltmarkt und Überkapazitäten in der Arcelor-Gruppe, zu der die Bremer Hütte inzwischen gehört. In diesem Jahr rechnet Schoder für die Bremer Hütte mit 60 Millionen Euro Verlust, im vergangenen Jahre waren es 52 Millionen Euro. In der Summe hat der Mutter-Konzern inzwischen 280 Millionen Euro über Kredit ausgeglichen. Dass die Geduld am Ende ist, versteht sich.

Seit Monaten wird intern an einem Konzept gearbeitet, wie man die Bremer Hütte „langfristig sichern“ könne, wie die Sprachregelung besagt. Das Konzept dafür erläuterte der Vorstand gestern der Presse und auf drei Versammlungen auch den Schichten der Belegschaft. Kurz zusammengefasst sieht die Rettung der Hütte so aus: Bei den Personalkosten sollen 60 Millionen Euro pro Jahr gespart werden, das entspricht etwa 1.700 der derzeit 4.800 Stellen. Beim Rohmaterial sollen 70 Millionen Euro gespart werden, macht 130 Millionen Spareffekt unter dem Strich. Damit wäre die Bremer Stahlproduktion 2005 wieder rentabel und dann ist mit der Mutter Arcelor auch über Modernisierungsinvestitionen zu reden.

Der Betriebsrat, erklärte Michael Breidbach gestern auf der Pressekonferenz des Vorstandes, stimmt dem Ziel der Unternehmensführung grundsätzlich zu, weil es als einziger Weg erscheint, „um den Standort Bremen im Arcelor-Konzern voran zu bringen.“ Dass die Umsetzung des Personalabbaus aber ganz ohne Streit abgeht, das kann der Betriebsrat nicht versprechen. „Wir rechnen mit Auseinandersetzungen“, sagte Breidbach. Bei solchen Sätzen war auch auf den – nichtöffentlichen – Betriebsversammlungen der Beifall besonders groß.

Wie konnte es kommen, dass die Stahlhütte so schnell nach ihrer Rettung wieder in die Krise geriet? Für Vorstand Schoder geht es da um unternehmerische Strategien. Arbed als vergleichsweise „kleines“ Unternehmen auf dem Weltmarkt hatte auf Mengen gesetzt: Viel Stahl sollte produziert werden, um andere zu unterbieten – notfalls unter den Selbstkosten. Arbed hat sich dann mit der französischen und der spanischen Stahlindustrie zu dem größten Stahlhersteller weltweit, Arcelor, zusammengetan. Im Arcelor-Konzern könne jetzt eine andere Stragie verfolgt werden: Nicht mehr „Menge“ sei das erste Ziel, sondern „Preis vor Menge“. Keine Tonne Stahl soll mehr unter Preis verkauft werden. Das bedeutet für Bremen eine Reduzierung der Menge um etwa ein Viertel. Wenn Arcelor weltweit die Mengen reduziert, dann ist das so gewichtig, dass nicht andere in die Marktlücke stoßen, sondern dann steigt der Preis, so die Spekulation. Denn die anderen Stahl-Produzenten wie etwa die vergleichsweise kleinen deutschen Konkurrenten Hoesch und Thyssen haben ähnliche Rentabilitätsprobleme. Und in Frankreich hat Arcelor einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent und bestimmt sowieso das Marktgeschehen.

Wenn die Preise für den Rohstahl steigen, dann werden vielleicht nicht alle Personalabbau-Maßnahmen so zwingend sein wie es heute erscheint, hofft der Betriebsrat. Bisher sind 75 Millionen Euro für einen Sozialplan vorgesehen. Das Sanierungskonzept muss noch von der europäischen Arcelor-Konzernspitze genehmigt werden. K.W.