Rund ums Meer

Muscheln, Pinguine, Haie, Seepferdchen und Strand: Im LCB am Wannsee stellte sich der neue Mare Verlag vor

Mitten in einer Zeit einen neuen Verlag zu gründen, in der sich eine ganze Branche mit Untergangsängsten begruselt, dazu gehören Trotz und ein gewisser Sinn für Humor: Die Umsätze gehen zurück, große Buchhandelsketten stehen kurz vor der Pleite, Medienkonzerne verschlucken kleine Verlage und drohen, deren Programm nach schneller Verdaulichkeit durchzubürsten.

Und was macht Nikolaus Hansen, ehemaliger Verleger bei Rowohlt? Nikolaus Hansen gründet einen neuen Verlag, den Mare Verlag. Das ist mutig, auch wenn er sich auf eine bereits erfolgreiche Marke stützen kann: auf die Zeitschrift Mare, die seit sechs Jahren mit Themenschwerpunkten zur Ostsee und zum Mittelmeer, zu Muscheln, Pinguinen, Haien und Seepferdechen nicht nur irgendwelche Wassersüchtige begeistert – und auf das gleichnamige Fernsehmagazin „Mare TV“, das monatlich auf N 3 über das Leben der Inuit, russische Eisbrecher-Veteranen oder Matrosenschmieden im Pazifik informiert. Kaum wurde bekannt und als Hoffnungsstreif am Horizont gefeiert, dass es diesen neuen Verlag geben soll, schon überraschte Mare mit einem ausgesuchten Herbstprogramm aus schön gestalteten Büchern: Neben einer Auswahl von Sachbüchern rund ums Thema Meer finden sich in der Mare Bibliothek für Belletristik vom Meer inspirierte Romane und Erzählungen des amerikanischen Shooting-Stars David Foster Wallace, von Robert Gernhardt und Antje Rávic Strubel, einer der interessantesten jungen ostdeutschen Autorinnen.

Einen Verlag rund um eine thematische Vorgabe zu gründen, das hat es noch nie gegeben, und so wollte Sigrid Löffler, ehemals Literarisches Quartett, heute Chefredateurin bei „Literaturen“, im Literarischen Colloquim auch wissen, wie es denn ginge, Autoren Aufträge zu geben. Denis Scheck, der die Mare Bibliothek herausgibt und an diesem Abend vorstellte, konterte geschickt: Schließlich habe man auch als „normaler“ Verlag Probleme, wenn man einem Hausautor ein Manuskript zurückgeben müsse. Es funktioniere einfach so: Man gehe mit einem Autor frühstücken und plaudern. Auf einmal erzähle der wie kürzlich Richard Ford etwas von seinem Haus, das über zwei Ankerplätze verfüge. Also hake man eben ein.

Mag sein, dass der Mare Verlag, wie Frau Löffler an diesem Abend krittelte, einfach eine geschickte Marketing-Idee ist, die das Meer als Geschenkpapier benutzt. Die Texte allerdings, die anschließend von ihren Autoren vorgestellt wurden, handelten tatsächlich alle vom Meer und, was noch viel wichtiger ist, sie waren sehr amüsant. Antje Rávic Strubel las aus ihrem neuen Buch „Fremd gehen“, einer Art Krimi, den man in der S-Bahn vom Wannsee zurück in die Stadt gleich weiterlesen wollte. Annegret Held trug einen Ausschnitt aus einer sehr lustigen Geschichte vor, die im Frühjahr bei Mare erscheinen wird, eine Geschichte über eine Neunzehnjährige, die sie sich für das Leben wappnen will, indem sie sich als Zimmermädchen auf einer einsamen Nordeeinsel verdingt. Und der beinahe schon zwanghaft ums Wasser kreisende John von Düffel, der für die Sachbuchabteilung von Mare eine „Kulturgeschichte des Schwimmens übersetzt hat“, behauptete, es gebe in der Schweiz eine bislang unbekannte Schwimmdisziplin: das Passivschwimmen im Rhein. Flussabwärts. SUSANNE MESSMER