herr tietz macht einen weiten einwurf
: FRITZ TIETZ analysiert die Wahl

Laufend zu 8,6 Prozent

„Olympiakos treibt Unzucht an der Leiche von Leverkusen“, meldete letzte Woche eine griechische Sportzeitung, meinte damit aber nicht etwa einen nekrophilen Sittenstrolch namens Olympiakos, der sich an Reiner Calmund vergeht. Gemeint war natürlich der 31-malige griechische Fußballmeister Olympiakos Piräus, der in der tags zuvor ausgetragenen Champions-League-Begegnung gegen Bayer Leverkusen den ewigen deutschen Vizemeister mit 6:2 geschlachtet hatte. Ein schaurig-schönes Worte-Fresko, das den griechischen Kollegen da gelang. Damit haben sie sich in der Metaphern-Bestenliste der internationalen Fußballberichterstattung einen der vorderen Plätze gesichert.

Die nationale Fußballberichterstattung kann mit solchen Glanzleistungen momentan nicht aufwarten. Auch die deutsche Wahlberichterstattung, die ja derzeit alles wirklich Berichtenswerte in den Schatten stellt, kommt eher metaphernlau daher. Warum nicht mal bei den Griechen wildern? „Wähler trieben Unzucht an der Leiche der Grünen“ wäre ein zwar geklautes, aber durchaus treffendes Bildnis für das überraschend, oder eher noch: erschütternd gute Abschneiden dieser neowindigen Gruppierung. Wie sonst ließe sich die Bestürzung anschaulicher zum Ausdruck bringen, dass unglaubliche 8,6 Prozent der Wähler ihre Stimme an eine so mausetote Truppe legten?

Der grüne Wahlerfolg macht es meiner Ansicht nach notwendig, dass viel mehr noch der sportliche Aspekt mit in die Wahlanalyse einbezogen wird. Schließlich haben die Grünen ihren Triumph maßgeblich ihrer Spitzenkraft Josef Fischer zu verdanken. Und damit einem, dessen Wahlkampf ausschließlich von der schamlosen Zurschaustellung seiner sportlichen Fitness geprägt war. Fischer, der von seinen Untergebenen GV genannt wird (was nicht für Gewichts- oder, was noch nahe liegender wäre, Gesichtsverlust steht, sondern für Gottvater), hat während seiner anderthalbmonatigen Wahlkampftour ein 320 Kilometer langes Schaujogging-Pensum absolviert. Wo immer sich genügend Adepten, Mitläufer und vor allem Kamerateams einfanden, zog sich Fischer die Turnhosen an und rannte los. Lügen haben kurze Beine, Fischer hat kurze Hosen, möchte man da am liebsten skandieren, wenn es denn noch was nützte. Es gibt mittlerweile Analysten, die davon ausgehen, dass Fischer mit der Verdoppelung seines nächsten Wahlkampf-Laufpensums auch die Stimmengewinne für die Grünen verdoppeln wird. Fischer soll darauf angekündigt haben, seine Gesamtlaufleistung im nächsten Wahlkampf zu vervierfachen. Der Rest ist Mathematik und, falls die Rechnung aufgeht, eine ziemlich trübe Prognose.

Er habe, sagt der Schauläufer Fischer übrigens, mehr für die Volksgesundheit getan als alle Gesundheitsreformen zusammen. Ein Vergleich, der eingedenk der Tatsache, dass Gesundheitsreformen ausschließlich der finanziellen Gesundung der Krankenkassen und der pharmazeutischen Industrie dienen, eher komisch, man könnte auch sagen, grün wirkt. Dennoch scheint es tatsächlich so, dass immer mehr Deutsche ihr Heil oder vielleicht auch ihr Selbst im Dauerlauf suchen. Wurde ich in meinem angestammten Spaziergang-Revier bis vor wenigen Jahren nur von freilaufenden Hunden und den dazugehörigen Herrchenmenschen belästigt, sind es in letzter Zeit die stetig rudelweise aufkreuzenden Jogger, die einem da schnaufenden Schritts die Ruhe zerkeuchen. Und es sind neuerdings auffallend viele Frauen darunter, wie es ja auch überwiegend Frauen gewesen sein sollen, die die Grünen wählten.

Ob einem als Trimm-Radfahrer, wie ich zum Beispiel einer bin, die weiblichen Wählerstimmen ebenso zuflögen? Nein, Trimm-Radfahren gilt, denke ich, zurzeit nicht als besonders sexy. Ansonsten beschränken sich meine sportlichen Tätigkeiten vorrangig aufs Kinder-zum-Kinderturnen-Bringen und gelegentliches Minigolfen. Aber kann man als Minigolfer was reißen in der Politik?

Fotohinweis: Fritz Tietz ist 43 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.